Während die Volkspartei — als Gegenmittel zu erstarkenden Unabhängigkeitswünschen — die Werbetrommel für die Vollautonomie rührt, brechen dem hochgelobten Modell nach der Reihe wesentliche Teile weg. Bereits vor Jahrzehnten hatte das Land das im deutschen Sprachraum übliche duale Bildungssystem mit Berufsschulen, Lehrlingsausbildung in den Betrieben und Meistertitel eingeführt, welches zur anerkannten Kompetenz heimischer Handwerker und anderer Berufe beiträgt. Dieses System musste bereits wiederholt gegen Angriffe aus Rom verteidigt werden, wobei schon vor etlichen Jahren auf den Meistertitel als Voraussetzung zur Ausübung gewisser Berufe in Selbständigkeit verzichtet werden musste.
Kürzlich übernahm Italien, von dessen Vorzügen überzeugt, selbst das duale Modell und machte somit einer Südtiroler Erfolgsgeschichte quasi über Nacht den Garaus. Zunächst von der SVP als Sieg gefeiert — schließlich hatte sich der Staat einmal mehr etwas vom autonomen Land abgeschaut — machte sich jedoch schon bald Ernüchterung breit. Da Südtirol im Schulbereich nur sekundäre Gesetzgebungsbefugnis hat, müssen die staatlichen Vorgaben fast vollständig übernommen werden. Und die haben es in sich. Das Staatsgesetz unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem, was man sich in Südtirol von der Berufsbildung erwartet.
So schreibt Rom einen ersten Abschluss schon nach drei, den Endabschluss nach maximal vier Ausbildungsjahren vor. Manche Berufsbilder sind aber nach Ansicht von Südtiroler Fachleuten so komplex, dass das erforderliche Wissen und die nötigen Fertigkeiten nur in den bisher üblichen fünf Jahren erworben werden können. Zudem entscheidet nun der Staat über die Ausbildungsprogramme und liberalisiert auch noch weitgehend die Rolle der Lehrbetriebe, wodurch eine Aushöhlung des gesamten Systems droht. In Hinkunft könnten Lehrlinge vor allem als billige Arbeitskräfte gesehen, aber u. U. nicht mehr nach klaren Richtlinien ausgebildet werden. Zu allem Überfluss droht der Berufsbildung im Gastgewerbe sogar das Aus, da das Staatsgesetz Saisonsbetrieben die Lehrlingsausbildung gänzlich untersagt. Dadurch kommen den einheimischen Azubis praktisch alle Ausbildungsmöglichkeiten abhanden, denn Südtiroler Gastbetriebe arbeiten fast ausschließlich saisonal.
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