Ich hatte bereits Gelegenheit, meine Kritik am Vorgehen der Süd-Tiroler Freiheit (STF) zu äußern, welche in der Gemeinde Ahrntal eine selbstverwaltete Befragung über die Selbstbestimmung durchgeführt hat. Insbesondere finde ich es bedenklich, dass — anders als in Katalonien, von wo diese Befragungen importiert wurden (01
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) — kein breiter zivilgesellschaftlicher Konsens gesucht wurde. Ein derart wichtiges Thema darf weder zu einer parteipolitischen, noch zu einer ethnischen Angelegenheit degradiert werden. Das wäre nicht nur wenig hilfreich, sondern letztendlich ausgesprochen kontraproduktiv.
Jetzt hat die STF die Ergebnisse ihrer Befragung öffentlich gemacht: Bei einer Beteiligung von 31,2% aller Stimmberechtigten1die Briefwahl noch nicht einmal vollständig eingerechnet haben sich 95,24% dafür ausgesprochen, ein amtliches und rechtlich bindendes Referendum über die Loslösung Südtirols von Italien abzuhalten.
SVP-Obmann Richard Theiner spricht herablassend von »kläglichem Scheitern« der Initiative. Das sehe ich grundlegend anders und finde, dass diese Aussagen (des höchsten Parteiverteters in der SVP) nicht eine Verhöhnung der STF, sondern der teilnehmenden Bevölkerung sind. Wenn eine einzelne Partei — die nicht einmal die Mehrheitspartei ist — es schafft, für ein nichtamtliches, von anderen Parteien und Medien ins Lächerliche gezogene Referendum fast so viele Menschen zu mobilisieren, wie die offiziellen Landesreferenda 2009, dann ist das für mich ein durchschlagender Erfolg. In der Schweiz, der Heimat der direkten Demokratie, müssen ordentliche und — aufgrund des Fehlens eines Quorums — durchwegs gültige Abstimmungen häufig mit deutlich geringeren Beteiligungen Vorlieb nehmen.
Es darf auch daran erinnert werden, dass die SVP eine ähnlich hohe Beteiligung an den SVP-Vorwahlen als Meilenstein der direkten Demokratie (!) verkauft hat.
Zuletzt noch eine naheliegende rechnerische Überlegung: Um die 29,7% der Ahrntaler (entspricht 95,24% von 31,2%) zu überstimmen, die sich hier schwarz auf weiß (und nicht in einer Telefonumfrage) für die demokratische Ausübung der Selbstbestimmung ausgesprochen haben, müssten an einem etwaigen offiziellen Referendum rund 30 weitere Prozent der Stimmberechtigten teilnehmen und sich geschlossen gegen die Selbstbestimmung aussprechen. Jeder kann selbst für sich beurteilen, für wie wahrscheinlich er das hält.
Es wäre also mindestens eine Beteiligung von rund 60% aller Berechtigten erforderlich, um das Ergebnis der parteipolitisch vereinnahmten Befragung der STF zu kippen. Von einem Scheitern zu sprechen oder davon, dass die Südtiroler sich »eindeutig« die Vollautonomie wünschen, ist daher wohl völlig realitätsfremd.
- 1die Briefwahl noch nicht einmal vollständig eingerechnet
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