Neulich war ich zwei Tage lang in Ostösterreich, wo ich auf deren Einladung (gemeinsam mit einigen anderen Südtiroler Architekten und Planern) die Forschungs- und Herstellungsgebäude einer renommierten österreichischen Firma besichtigt habe.
Neben den beruflichen Aspekten boten sich hierbei auch interessante Beobachtungsmöglichkeiten, was die Vorherrschaft des nationalstaatlichen Prinzips bei Privatunternehmen, sogar solchen des angeblichen »Vaterlandes«, anlangt.
Eingeladen wurden wir vom ausschließlich italienischsprachigen Ansprechpartner der Firma in Südtirol. Obwohl das Mutterhaus im Direktkontakt (also ohne Vermittlung ihres lokalen Vertreters) mit Südtiroler Architekten sehr wohl die deutsche Sprache verwendet, flatterte uns im Vorfeld der Reise direkt aus Österreich ein offizielles Besichtigungsprogramm mit dem Namen »Programma Alto Adige« ins Haus, welches denn auch ausschließlich auf Italienisch abgefasst war. Ich konnte es mir nicht verkneifen, die Firma postwendend via Mail auf den Fauxpas hinzuweisen — etwas, was aber wohl kaum sonst ein Südtiroler je machen würde. Die Antwort war ernüchternd, nämlich, dass man nicht gewusst habe, »ob alle Teilnehmer hauptsächlich deutschsprachig sind« (Italienisch wird also als lingua franca betrachtet).
Am Ankunftstag erzählte uns die charmante steirische (Portugal- und) Italienverantwortliche beim informellen Abendessen amüsiert, wie schwierig es beim Aufbau des italienischen Marktes vor einigen Jahren gewesen sei, die Nordtiroler Firmenvertreter (die bis dahin den Südtiroler Markt einfach mitbedient hatten) davon zu überzeugen, die Finger vom lukrativen Südtiroler Markt zu lassen, mit dem sie sich bis dahin ein willkommenes Zubrot verdient hatten. Sie habe sie aber darauf hingewiesen, dass Südtirol »nunmal leider« zu Italien (und somit zum Aufgabenbereich ihrer eigenen, der Italienabteilung) gehöre. »Siamo in Italia« auf Österreichisch — Euregio lässt freundlichst grüßen.
Zum Abschluss des ersten Abends wurde noch vereinbart, wir sollten am darauffolgenden Morgen in der Firmenreception vorstellig werden. Sobald sie uns reden hörten, würden die Empfangsdamen gleich bescheidwissen, dass »die Italiener da sind« und sie, die Italienverantwortliche, herbeiholen. Vielleicht — meinte sie weiter — würden sie uns aber doch nicht richtig zuordnen können, weil wir ja mehrheitlich Deutsch sprächen. Das nahmen gleich einige (deutschsprachige) Gruppenmitglieder zum Anlass vorzuschlagen, wir könnten doch für den Zeitraum des Aufenthalts (in Österreich!) einfach Italienisch zu unserer ausschließlichen Kommunikationssprache machen. Kein Witz.
So weit sollte es dann doch nicht kommen, informelle Gespräche wurden teils auch auf Deutsch geführt. Die gesamte Führung wurde jedoch auf Italienisch gehalten, weil ein einziger Teilnehmer nicht deutscher Muttersprache war. Obwohl er ausdrücklich sagte, seine passiven (!) Deutschkenntnisse würden ausreichen, um den Ausführungen zu folgen, sprachen sich die anderen gleich mehrheitlich dafür aus, aus wirklich zweifelhaftem »Respekt« alles auf Italienisch zu machen. Mehr als skurril, dass eine Steirerin ihre Produkte einer Südtiroler »Delegation« auf Italienisch vorstellt.
Am Ende des zweiten Tages wurden dann noch allen Südtirolern die Firmenkataloge, -zeitschrift und andere Unterlagen in italienischer Sprache ausgehändigt (manche Versionen in deutsch-italienischer, andere in englisch-italienischer und spanisch-italienischer Fassung).
So wird der Nationalstaat für uns Südtiroler selbst im deutschsprachigen Ausland (und noch mit aktiver eigener Zuarbeit) zur selbsterfüllenden »Prophezeiung«.
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