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Proporz unproportional.

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ai

Im Zuge der diesjährigen Volkszählung wird die Größe der Sprachgruppen erstmals anonym ermittelt. Zu diesem Zweck wurde die statistische Erhebung von der individuellen Erklärung entkoppelt, welche der Inanspruchnahme von Rechten dient, welche mit dem Proporz geregelt werden. Diese Entkoppelung ist nur vordergründig ein Erfolg derjenigen, die den Proporz seit seiner Einführung als eine Art »Segregation« betrachten und bekämpfen. Sie hatten sich stets gegen eine namentliche Erhebung stark gemacht — doch diese Neuregelung ist in Wirklichkeit ein Pyrrhussieg.

Ich selbst befürworte die Abschaffung des ethnischen Proporzes, der jedoch unzertrennlich mit der heutigen ethnischen Autonomie verbunden ist. Nur im Zuge deren Überwindung wird auch der Proporz endültig obsolet und überflüssig.

Früher war die Erklärung, welche dem statistischen Zweck diente, ein anonymisierter Durchschlag der individuellen Deklaration und genügte somit zwei Zielen gleichzeitig: Wahrung der Anonymität bei gleichzeitiger Übereinstimmung zwischen statistischem Wert und Gesamtheit der individuellen Erklärungen, welche geheim aufbewahrt wurden.

Da der Proporz alle zehn Jahre aufgrund der ASTAT-Erhebung neu kalibriert wird, ist diese Übereinstimmung von grundlegender Bedeutung, um Verzerrungen und Missbrauch zu verhindern — doch genau diese Übereinstimmung ist heute nicht mehr gewährleistet. Zum ersten Mal ist es möglich, dass Bürger sich für die Statistik (welche jedoch direkt den Proporz beeinflusst) der einen Sprachgruppe zugehörig erklären, während sie in der individuellen Erhebung aus Opportunismus eine andere Sprachgruppe wählen, und somit das gesamte System faktisch ad absurdum führen. Geschieht dies in großem Stil, kann dies zu tatsächlichen Vorteilen der einen zu Lasten einer anderen Sprachgruppe führen.

Fast genauso schwer wiegt, dass die Abweichung zwischen statistischer Erhebung und individuellen Erklärungen nicht quantifizierbar ist, da zweitere in ihrer großen Gesamtheit stets geheim bleiben werden. Einerseits öffnet man damit Spekulationen über Ungerechtigkeiten Tür und Tor (welche bis heute ausgeschlossen waren), andererseits wird es unmöglich, im Falle von tatsächlichen Abweichungen wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, da der reale Umfang des Problems ja nicht ermittelbar ist.

Diese Karikatur einer Lösung, welche a) keine Proportionalität mehr garantiert und b) auch die von manchen beanstandete namentliche Erhebung nicht abschafft, sondern lediglich von der Statistik entkoppelt, ist meines Erachtens weit bedenklicher, als das Problem, das sie beheben soll.



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Comentârs

6 responses to “Proporz unproportional.”

  1. gadilu avatar

    Analisi ineccepibile.

  2. pérvasion avatar

    Ich hatte Dr. Alfred Aberer, Abteilungsdirektor des Landesinstituts für Statistik (ASTAT), via Mail zu diesem Problem befragt. Und das ist seine Antwort:

    Eine Gegenfrage.

    Glauben Sie ernsthaft, dass bei so großen Stückzahlen, Ungenauigkeiten dieser Art signifikant sind.

    Mit freundlichen Grüßen

    Alfred Aberer
    Landesinstitut für Statistik (ASTAT) 8

    Auf meine Fragen ist er in seinem Schreiben, das ich als unfreundlich bezeichnen möchte, leider nicht eingegangen. Ich jedenfalls glaube ehrlicherweise schon, dass »Ungenauigkeiten dieser Art« signifikant sein können — je nachdem, wieviele Menschen beschließen, abweichende Angaben zu machen.

  3. Senoner avatar
    Senoner

    Auch eine einzige Abweichung kann schon das Zünglein an der Waage ausmachen.

    Mich würde aber interessieren, wer aus welchem Interesse sich anders erklären könnte. Welche Szenarien wären denkbar?

  4. dauergast avatar
    dauergast

    Nur 4% der Südtiroler haben Ladinisch als Muttersprache, deshalb könnte die Ladiner schon eine Abweichung von 1% ein Viertel der Arbeitsplätze kosten!? Die Antwort von Aberer ist also eine echte Zumutung!!

    :vogel:

  5. Thomas Benedikter avatar
    Thomas Benedikter

    Pérvasion wirft ein wichtiges Problem auf, das nicht so sehr den Herrn Aberer, sondern eigentlich die 6er-Kommission und Südtirols politische Vertreter beschäftigen müsste. “Opportunistische” Erklärungen gab es ja immer, doch zum ersten Mal sind nun Bemessungsgrundlage (die anonyme Erfassung der zahlenmäßigen Stärke der Sprachgruppen) und individuelle Erklärungen ganz entkoppelt, wie er richtig bemerkt.
    Denkbar wäre natürlich ein Korrektiv nicht so sehr zu opportunistischen Erklärungen, sondern im Augenblick der Teilnahme an einem öffentlichen Stellenwettbewerb. Dieser müsste nämlich immer in der Sprache der ausgeschriebenen Stelle erfolgen, um zumindest die Kenntnis der Sprache des Bewerbers zu testen,zu der er sich bekannt hat. Wenn ein Bewerber italienischer Muttersprache beim Wettbewerb nachweist, Deutsch besser zu beherrschen als seine deutschprachigen Mitbewerber, wo wäre das Problem?
    Den Proporz, der inzwischen nur mehr bei den öffentlichen Stellen zur Anwendung kommt, könnte man langfristig mit einem streng angewandten Sprachenprinzip nach dem Muster der EU überwinden: nämlich den gesamten Wettbewerb in beiden oder drei Sprachen durchführen.
    Noch hat der Proporz aber nicht ausgedient, weil er eine amtlich erfasste, statistische Maßzahl zum Kriterium der Verteilung der Stellen erhebt: die Zahl der Bürger, die sich frei jeweils einer Sprachgruppe zugehörig erklären. Das hat in der Südtiroler Geschichte seit 1976 (Einführung des Proporzes) eine ausgleichende und befriedende Wirkung gehabt. Alexander Langer hat sich in diesem Punkt ganz klar geirrt.

  6. jonny avatar
    jonny

    @Thomas Benedikter
    Die beste Lösung wäre wirklich alle Wettbewerbe zwei-oder dreisprachig zu machen, und die Besten bekommen die Stelle, egal welcher Sprachgruppe sie angehören.
    Aber ich verstehe ihre Ängste nicht, die befriedende Wirkung ist doch auch nur ein Kompromiss. Wenn man, wie Sie anscheinend, davon ausgeht, dass durch die Abschaffung des Proporzes, und mehrspachige Wettbewerbe, eine Sprachgruppe so stark benachteiligt wird, dass die Befriedung gefährdet ist, heisst das ja nur, dass etwas jetzt falsch läuft! Die Konsequenz müsste doch sein, dass wer nicht die Sprachen beherrscht, das irgendwie irgendwo zu spüren bekommt, oder?

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