Das Sozialforschungsinstitut Apollis hat im Auftrag der Arbeitsgruppe für die Selbstbestimmung, der unter anderem einige Oppositionsparteien angehören, eine repräsentative Umfrage zum Thema Unabhängigkeit durchgeführt. Befragt wurden 500 Personen, die sich dazu äußern konnten, wie sie sich bei einem eventuellen Referendum verhalten würden.
Obwohl die Arbeitsgruppe — speziell die Süd-Tiroler Freiheit — das Ergebnis als großen Erfolg feiert, weil sich »die Mehrheit der Süd-Tiroler« (56%) für die Abspaltung aussprechen würde, gibt es für soviel Jubel keinen Grund: Von einer Mehrheit kann nur gesprochen werden, wenn man den Italienerinnen zum wiederholten Mal das Heimatrecht abspricht.
Berücksichtigt man hingegen die Gesamtbevölkerung, zeichnet sich mit 41% Zustimmung noch keine Mehrheit für die Unabhängigkeit ab. Wesentlich schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass sich die befragten Italienerinnen angeblich kompakt gegen ein solches Ansinnen ausgesprochen haben; dies ist ein schlechteres Ergebnis, als es aus früheren Umfragen hervorgegangen war. Nicht nur, dass es den Unabhängigkeitsbefürworterinnen nicht gelingt, größere Teile der italienischen Gemeinschaft für ihr Anliegen zu gewinnen — sie haben im Laufe der letzten Jahre offensichtlich auch noch jenen Teil der Italienerinnen verloren, der einer Sezession nicht negativ gegenüberstand.
Laut Umfrageergebnis gaben 41% der Befragten an, sie würden sich für eine Loslösung von Italien (Gründung eines neuen Staates oder Anschluss an Österreich) entscheiden. Nach Sprachgruppen aufgeschlüsselt wollten 56% der deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolerinnen gegen einen Verbleib bei Italien stimmen, volle 100% der italienischsprachigen Südtirolerinnen würden jedoch die Beibehaltung des Istzustandes befürworten.
Geben diese Daten die Realität wieder, muss man daraus schließen, dass die Unabhängigkeit immer mehr zu einem ethnisch ausgerichteten Thema wird. Ein gemeinsames, sprachgruppenübergreifendes Projekt — wie jenes von Brennerbasisdemokratie — rückt immer mehr in weite Ferne. Damit werden die Unabhängigkeitsbefürworter gleich vor mehrere massive Probleme gestellt:
Während einem Projekt, für das sich eine relative Mehrheit aller Südtirolerinnen (und jeder Sprachgruppe) starkmachen, Chancen einzuräumen sind, gegen den eigentlichen Willen Italiens einen neuen Staat zu gründen, wird dies im Falle einer ethnischen Lösung wesentlich unwahrscheinlicher. Außerdem besteht unter diesen Vorzeichen die ernsthafte Gefahr, mit konkreten Schritten in Richtung Selbstbestimmung grobe ethnische Spannungen zu verursachen.
Anstatt eines Projektes, das die Überwindung des ethnozentrischen Modells in den Mittelpunkt stellt, wurde von jenen, die die Unabhängigkeit im Laufe der letzten Zeit auf die politische Agenda gesetzt haben, mehrheitlich ein weiterhin ethnisch konnotiertes Konzept favorisiert. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht den Dialog mit der italienischen Sprachgruppe — über ein Viertel der Gesamtbevölkerung! — gesucht zu haben. Dadurch konnte sich das Thema vor unseren Augen zu einem Keil zwischen den Sprachgruppen entwickeln.
wird sich im Sinne des eigenen Manifests und des gesellschaftlichen Zusammenhalts stets gegen eine Lösung aussprechen, die eines breiten sprachgruppenübergreifenden Konsens’ entbehrt und nicht die Überwindung der ethnischen Trennung in Aussicht stellt.
Cëla enghe: 01
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