mit freundlicher Genehmigung des Autors geben wir den gestrigen Leitartikel der Neuen Südtiroler Tageszeitung wieder
von Arnold Tribus*
Hätte der gute Minister und Poet Sandro Bondi erahnt, was er mit seinem sanften und völkerverbindenden Brief an den Herrn Landeshauptmann anrichtet, dann hätte er ihn wahrscheinlich nicht geschrieben. Immerhin ist oder war er ja auch Koordinator des PDL, der Partei, die nun wegen dieser seiner Entscheidung auf die Barrikaden geht und mit Massenaustritten droht. (Keinem PDL-Mitglied wäre es eingefallen auszutreten, weil Berlusconi unkeusch ist und seine Villa in ein Bordell verwandelt hat. Das steht ihm zu, aber wegen Mussolini kann man Partei wechseln.) Zudem galt Bondi immer als Verteidiger der Abgeordneten Biancofiore, er hat sie aus dem neapolitanischen Exil zurückgeholt. Und nun planen ihre Amici, die sie ja immer mit starker Hand führte, ein “Los von Rom” und die Bildung einer von Rom abgekoppelten, “autonomen” rechten Partei. Was an der ganzen Sache aber verwundert, ist der Umstand, dass nun der Disagio, der Zorn, die Enttäuschung, die totale Gegnerschaft zur römischen Entscheidung nicht nur in den rechten Parteien entbrannt ist, sondern auch in den Linken.
Die Front, die sich gegen das Bondi-Abkommen ausspricht, ist also breit, umfasst praktisch alle Italiener, ganz unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit. Nun wäre es eigentlich logisch, dass die Italiener, die sich politisch dem Mittelinksblock zugehörig fühlen und somit den Antifaschismus in ihren Genen und in ihren politischen Grundsätzen haben, jubeln, wwenn endlich alle faschistischen Denkmäler, wenn nicht beseitigt, so zumindest entschärft werden. Welcher Genosse der Republik würde sich für ein Mussolini-Denkmal einsetzen, würde dafür kämpfen, dass das Abbild des Diktators hoch zu Ross mit der Aufschrift “credere, obbedire, combattere” gerettet wird? Der in Bozen gewählte PD-Abgeordnete Gianclaudio Bressa, um den es ja sehr still geworden ist, hat eine klare Sprache gesprochen: Das Relief müsse weg, er wundere sich, dass das überhaupt noch dort sei, es handle sich um eine Apologie des Faschismus. Ähnlich die Position von Oreste Galletti und Fabio Visentin von Rifondazione Comunista, einer Partei, die im Bozner Stadtrat sitzt, die sich auch für die Abnahme des Reliefs ausgesprochen haben, aus antifaschistischen Gründen. Das wär’s auch schon, sonst findet man keinen offiziellen Italiener, der sich für die Beseitigung des Piffrader-Reliefs ausspricht. (Ich bleibe nach wie vor für die Beibehaltung, aber aus schließlich künstlerischen Gründen, der Kampf der italienischen Bozner erfolgt nicht aus Gründen der Kunst, sondern aus eminent politischen Gründen, und das macht das Ganze etwas dubios.) Warum denn gibt es immer dann eine breite italienische Einheitsfront, wenn es um die Vergangenheit geht, wenn es darum geht, faschistische Relikte zu bewahren? Warum hört der Antifaschismus der Bozner Linken auf, wenn es darum geht, die faschistischen Denkmäler zu retten? Ist denn der Faschismus tatsächlich der einzige Wert, das einzig verbindende Element der italienischsprachigen Südtiroler? Sie haben es uns ja schon einmal tragisch vorgemacht, als es darum ging, eine friedensstiftende, zukunftsträchtige Initiative des damaligen Bozner Bürgermeisters Giovanni Salghetti Drioli mit einem Referendum zu bestätigen. Es ging damals nur um den Friedensplatz, auch das war zuviel. Nun ist wohl der günstige Moment gekommen, dass sich Rechte und Linke endlich zur italienischen Einheitsfront zusammenfinden, zur italienischen Volkspartei. Es wird nicht lange dauern, und sie werden wieder gemeinsam gegen das vom Herrn Landeshauptmann gewünschte Toponomastikgesetz kämpfen müssen, ein regelrechter Angriff auf die Italianità, auf den Prontuario des Senators Tolomei. Sie werden zu diesem Themen [sic] wieder alle zusammenfinden — mit geringfügigen Differenzierungen. Der Faschismus verfolgt sie, die Italiener, er ist ihre Geschichte. Und dabei vergessen sie die Zukunft.
*) Arnold Tribus ist Herausgeber und Direktor der Neuen Südtiroler Tageszeitung, Bozen.
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