Die Landesregierung hat angekündigt, im Zuge der anstehenden Überarbeitung des Raumordnungsgesetzes die sogenannte Baubeginnmeldung (BBM) drastisch aufzuwerten; demnach soll in vielen Fällen die heute erforderliche Baugenehmigung entfallen, wie dies in Italien bereits der Fall ist. Es handle sich um eine Vereinfachungs- und Entbürokratisierungsmaßnahme.
Nach dem Ausscheiden von Alfons Benedikter als ihr oberster Hüter wurde die Südtiroler Raumordnung happenweise aufgeweicht und immer unübersichtlicher, sodass sie heute einem Flickenteppich gleicht — und vor oft widersprüchlichen Sonderregelungen strotzt. Die Materie wird zudem nicht in einem einheitlichen Gesetz geregelt, sondern ist in verschiedene, oft unübersichtliche und widersprüchliche Gesetze und Dekrete zersplittert.
In vielen Fällen sind sich heute nicht einmal mehr Fachleute — Planer, Juristen und Gemeindebauämter — einig, wie die einzelnen Vorschriften auszulegen sind. In diesem Kontext schafft die Baugenehmigung ein Mindestmaß an Rechtssicherheit: Wird ein Bauvorhaben von der Gemeinde genehmigt, erhält der Bauherr eine schriftliche Bestätigung darüber und darf erst dann bauen.
Mit der BBM wird dieses Prinzip umgekehrt: Die Gemeinde erhält nur noch eine Meldung über den baldigen Baubeginn. Legt sie binnen 30 Tagen nicht Widerspruch ein, darf automatisch mit den Arbeiten begonnen werden. Das Schweigen der Gemeinde garantiert jedoch nicht, dass die Planung als gesetzeskonform eingestuft wurde bzw. dass sich Planer, Bauherrschaft und Behörden darüber einig sind, was erlaubt ist. Kontrollen erfolgen dann nämlich erst nachträglich, Planer und Bauherr müssen geradestehen. Dies eröffnet — auch, aber nicht nur dank unscharfen Raumordnungsgesetzes — Rechtsunsicherheit und Behördenwillkür Tür und Tor. Kann man wirklich von einer Vereinfachung sprechen, wenn zwar das Verfahren verkürzt, gleichzeitig jedoch die Unsicherheit und die Risiken deutlich erhöht werden? Und welche Auswirkungen hat diese Regelung auf das (vorgebliche) Ziel, eine geordnete Raumplanung und -nutzung zu gewährleisten?
Es steht zu befürchten, dass nichts anderes als das Recht des Stärkeren (Recht des Reicheren) obsiegen wird. Wer es sich finanziell leisten kann, hohe Strafen zu entrichten, wird in Hinkunft bauen können, «wie und was er will». Abbrüche werden wohl nur dann verfügt, wenn krasse Vergehen begangen wurden; alles andere lässt sich dann sanieren — ein dauerhafter Bausündenerlass für Wohlhabende.
Mit den nötigen Geldmitteln lässt sich außerdem ein Rechtsbeistand finanzieren, der die eigene Auslegung der schwammigen Gesetze eher durchboxen kann, als der kleine Häuslebauer mit eingeschränkten Mitteln. Dieser wird also aus Angst vor fetten Strafen mitunter nicht einmal seine Rechte voll ausschöpfen können — weil er so bauen wird, dass er bei Mitbürgern und Gemeinde möglichst nicht aneckt und keine Strafe riskiert.
Eher als der Abschaffung der Baugenehmigung hätte es einer tiefgreifenden Reform derselben und der Baukommissionen bedurft, die heute großteils mit Laien besetzt sind, welche sehr oft außerstande sind, fachspezifische Einschätzungen und Anregungen abzugeben. Eine Reglementierung, Koordinierung und beratende Unterstützung der Bautätigkeit durch die öffentliche Hand ist aber nach wie vor vonnöten, da sie den Umgang mit den kostbaren Ressourcen Raum und Kulturlandschaft betrifft.
Cëla enghe: 01
Scrì na resposta