Vor wenigen Tagen hat die Tiroler Tageszeitung (TT) das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht, welche vom Blatt selbst in Auftrag gegeben worden war. Demnach sprächen sich nur rund ein Viertel der Nord- und Osttiroler für eine Wiedervereinigung mit Südtirol aus. Das steht in krassem Widerspruch zu dem Ergebnis, welches eine ähnliche Erhebung vor rund vier Jahren zutage gefördert hatte.
setzt programmatisch auf ein selbstbewusstes Südtirol-Projekt, an dem sich die übrigen Gebiete Tirols (Nordtirol, Osttirol, Trentino) beteiligen können sollen, so es die dortige Bevölkerungsmehrheit wünscht. Die jüngsten Ergebnisse deuten an, dass im österreichischen Teil Tirols die Zustimmung für eine derartige Lösung eher schwindet.
Allerdings kann auch dies nur indirekt abgeleitet werden, da die Frage nach einem unabhängigen, ohne nationalstaatliche Bindung direkt der EU unterstellten Gesamttirol nie gestellt wurde. Bei allen derartigen Umfragen ist — besonders in Österreich — eine Angliederung an das vermeintliche »Vaterland« gemeint; dies ist jedoch ohnehin eine Lösung, welche a priori ausschließt, da sie lediglich die Umkehrung des Mehrheit-Minderheit-Verhältnisses, aber keinen konstitutiv mehrsprachigen, plurikulturellen und postethnischen Willensstaat zur Folge hätte.
Eine Schlappe stellt das Umfrageergebnis jedoch zweifelsohne für die Verfechter der inhaltsleeren Hülse namens Euregio Tirol-Südtirol/Alto Adige-Trentino dar, etwa für die Regierungsparteien beiderseits des Brenners oder etwa Dolomiten-Chef und Leitartikler Toni Ebner, welcher kürzlich geschrieben hatte, die Landeseinheit sei bereits vollzogen.
Nicht nur, dass keine Landeseinheit in Sicht ist — die Bevölkerung der drei Tiroler Landesteile driftet unter den Augen der Sonntagsredner auch noch immer weiter auseinander. Da nützt auch kein Hoferjahr. Zudem macht Italien keine Anstalten, das Madrider Abkommen zu ratifizieren, welches eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit erst tatsächlich ermöglichen würde.
Ob des Scheiterns der Euregio sieht sich der Landeshauptmann jetzt gezwungen, schwerstes Geschütz gegen all jene aufzufahren, die nach neuen Lösungen suchen und sich mit dem status quo nicht abfinden wollen. Sollten sich die Südtiroler — wohlgemerkt in einer demokratischen Abstimmung — für eine Loslösung von Italien entscheiden, sei dieser Wunsch nur mit einem Krieg durchsetzbar, lässt Durnwalder ausrichten. Ein Aufruf, die Demokratie prophylaktisch einzuschränken, um größerem Übel aus dem Weg zu gehen.
Derartiges Geschwafel muss entschieden zurückgewiesen werden. Bis zum Gegenbeweis hat in Südtirol niemand — schon gar nicht — die Absicht, zu gewaltsamen Mitteln zu greifen. Dies wird sich auch nicht ändern, falls ein amtliches oder selbstverwaltetes Referendum den Mehrheitswillen nach Abspaltung sanktionieren sollte, dieser Wunsch aber nicht sofort eingelöst wird. Es geht vielmehr darum, auf europäischer Ebene (parallel mit anderen Territorien, die ihren Verbleib bei einem Nationalstaat ebenfalls als Einschränkung empfinden) politischen Druck auszuüben, um im Rahmen der kontinentalen Einigung eine Lösung zu finden, welche den einfachen Zusammenschluss von Nationalstaaten transzendiert. Dabei wäre durchaus vorstellbar, dass einzelne Regionen — wie Südtirol, Wales oder Katalonien — vorerst mit »herkömmlichen« Staaten koexistieren.
Europa wird sich im Laufe der kommenden Jahrzehnte unweigerlich wandeln. In welche Richtung die Reise geht, können auch wir mitbeeinflussen. Dazu müssen wir jedoch den Mut haben, Visionen zu entwickeln und konsequent zu verfolgen. Oder wir lehnen uns zurück und müssen vielleicht mitansehen, wie sich ein Europa der Nationen verfestigt, in dem für heterogene Regionen wie Südtirol kein Platz ist.
Cëla enghe: 01
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