Seit 2009 finden in Katalonien auf kommunaler und übergemeindlicher Ebene selbstverwaltete Unabhängigkeitsreferenda statt, von denen auch berichtet hat 01
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. Die Süd-Tiroler Freiheit (STF) war indirekt daran beteiligt, indem sie gemeinsam mit anderen Parteien (zumeist aus der EFA-Gruppe) internationale Beobachter nach Katalonien entsandt hat.
Nun hat die STF angekündigt, im Ahrntal beginnend, Referenda nach katalanischem Muster auch in Südtirol durchzuführen. Vorausgeschickt sei, dass es in einer Demokratie jedem unbenommen ist, selbstverwaltete Befragungen durchzuführen und daran teilzunehmen. Sie haben keinen bindenden Charakter, doch in Katalonien haben sie gezeigt, dass sie ein funktionierendes Mittel sind, um den Wunsch der Bevölkerung nach Eigenregierung politisch zu kanalisieren und sichtbar zu machen.
Zwischen beiden Ländern gibt es jedoch zumindest zwei eklatante Unterschiede, aufgrund derer die Referenda der STF als voreilig und dadurch gefährlich und kontraproduktiv einzustufen sind:
- Genauso penibel wie in Südtirol auf die Trennung nach Sprachgruppen geachtet wird, hat sich Katalonien stets um den gesellschaftlichen Zusammenhalt (Kohäsion) bemüht. Dies ist eine zentrale Vorbedingung für den Unabhängigkeitsprozess, auf welche schon oft hingewiesen hat und welche eine unserer Hauptforderungen darstellt.
Wenngleich zurzeit »nur« etwa die Hälfte der Katalanen die Unabhängigkeit befürwortet, wird sie dort als eine legitime politische Vision für das gesamte Land verstanden, und nicht als Forderung der einen gegen die anderen.
Die Süd-Tiroler Freiheit hat sich auch in ihrem politischen Gebaren — genauso wie alle anderen etablierten Parteien, welche die Selbstbestimmung befürworten — nie aktiv um die Italiener, die Ladiner und die Skeptiker gekümmert. Zumindest innerparteilich hätte sie die Verpflichtung, sich ihnen zu öffnen, aktiv und offensiv zuzuwenden und in einen gemeinsamen Prozess einzubinden. Das ist fast schon programmatisch ausgeblieben. - In Katalonien sind die selbstverwalteten Referenda von der Zivilgesellschaft ausgegangen, von Vereinen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) und unter Einbindung aller Gesellschaftsschichten — einschließlich der Zuwanderer
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, der »neuen Katalanen«, welche ihre Unterstützung nicht versagt haben. Es wurde stets penibelst darauf geachtet, dass die Parteien sich nicht in den Prozess einmischen. Zwar wurden externe Unterstützungserklärungen und Wahlaufrufe akzeptiert, aber eine aktive Mitarbeit zum Zwecke der politischen Profilierung blieb ihnen konsequent versagt.
In Südtirol will hingegen gerade eine politische Partei etwas anstoßen, wofür die Gesellschaft offensichtlich noch nicht bereit ist. Nicht einmal der Konsens mit anderen unabhängigkeitswilligen Parteien wurde gesucht. Das ist eklatant.
Eva Klotz und Sven Knoll sind auf dem besten Weg, nicht nur die Unabhängigkeitsidee, sondern sogar den fragilen gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig zu beschädigen, indem sie unerlässliche Etappen für einen Konsens in dieser Angelegenheit einfach auslassen. Das kann von Befürwortern eines seriösen Unabhängigkeitsprozesses nicht hingenommen werden.
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