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Ubi nomen, ibi patria.

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Dieses Motto zum Thema Ortsnamen (zu Deutsch in etwa: »wo man eigene Ortsbezeichnungen vergibt, dort ist das Vaterland«) haben sich nicht etwa Unitalia, Forza Nuova oder CasaPound gegeben, sondern die Südtiroler Grünen. Enthalten ist das Prinzip in ihren »Arbeitsthesen für das Zusammenleben« vom 6. November 2010. Damit nehmen sie weder auf die zeitgenössischen, weltweiten Entwicklungen und Gepflogenheiten auf diesem Gebiet Bezug, noch auf den heutigen Stand der Geographie-Wissenschaft. Das Motto könnte eher von Ettore Tolomei stammen, denn von einer interethnischen Partei (Eigendefinition) und könnte direkt vom hic patriae fines siste signa (»hier an den Grenzen des Vaterlandes setze die Zeichen«, i. S. v. »markiere das Territorium«) abgeleitet sein, welches am Bozner Siegesdenkmal prangt.

Garniert ist das Motto mit insgesamt fünf Thesen, die ich hier im Einzelnen kommentieren möchte:

Südtirol ist ein 3-sprachiges Land

Außer an der Schreibweise und an der italienischen Übersetzung (»Alto Adige« statt des einst grünen Sudtirolo) nichts auszusetzen. Im Grunde eine Binsenweisheit.

Altes Unrecht (wie das von Tolomei) wird durch neues Unrecht nicht wiedergutgemacht.

Das ist nun wirklich eine Ungeheuerlichkeit. Die Rückgängigmachung eines Unrechts (die zwangsweise Übersetzung von Abertausenden von Ortsbezeichnungen) wird mit dem Unrecht selbst auf eine Stufe gesetzt. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Entscheidung wissenschaftlichen Kriterien und internationalen Gepflogenheiten entspräche und vor allem: dass sie von demokratisch legitimierten Gremien beschlossen würde und lediglich die Amtlichkeit von Ortsbezeichungen beträfe, während die Tolomei-Namen auf faschistische Dekrete und auf die gewaltsame Unterdrückungspolitik durch ein totalitäres Regime zurückgehen.

Wenn wir diesen Ansatz weiterdenken, dann kommen wir womöglich zum Schluss, dass wir die Hängung von Kriegsverbrechern bei den Nürnberger Prozessen mit den standrechtlichen Erschießungen von »Deserteuren« durch die Nazis auf eine Stufe stellen müssen. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter.

Namen in der eigenen Sprache zur Verfügung haben, bedeutet Gefühl der Beheimatung [ubi “Nomen”, ibi “Patria”]

Was das mit der grünen Idee zu tun hat, ist und bleibt mir schleierhaft. Daraus ergäbe sich, dass wir die Beheimatung von Zuwanderern (welche ich genauso wie die Grünen befürworte) nur meistern können, wenn wir unsere Ortsbezeichnungen auf Pakistanisch, Albanisch, Bulgarisch, Arabisch und in alle anderen Sprachen der “neuen Südtiroler” übersetzen. Das wäre nicht nur völlig absurd, sondern nach meiner Überzeugung (genauso wie die Tolomeinamen!) ein Beitrag zur Schaffung von Parallelgesellschaften.

Dt. und lad. Namen müssen “amtlich gemacht werden”.

Das ist mittlerweile Konsens (es gibt meines Wissens keine im Südtiroler Landesparlament vertretene Partei, die sich diesem Ansinnen widersetzen würde) und daher keiner besonderen Erwähnung wert.

Es hat keinen Sinn, bestehende Namen “am grünen Tisch” neu zu übersetzen.

Hier servieren uns die Grünen zum Abschluss gleich den doppelten Widerspruch: Zum einen wäre diese Schlussthese nämlich die Bloßstellung des Tolomeiwerks und eine Rechtfertigung für seine Revidierung, zum anderen ist es angesichts der dritten These unverständlich, warum bestehende Namen nicht übersetzt werden sollen, wenn doch aus der Übersetzung — wie auch Tolomei meinte — angeblich Beheimatung entsteht.

Was nun?

Cëla enghe: 01 02 03



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Comentârs

6 responses to “Ubi nomen, ibi patria.”

  1. Beppi avatar
    Beppi

    Consentio! Die kaum zu ertragende, fast schon möchte ich sagen überhebliche, Besserwisserei der Grünen in derlei Fragen (die sich in ihren Pressemitteilungen und “Arbeitsthesen” Bahn bricht) fußt meistenteils auf hanebüchener, “historisch” verdrehter Argumentationsweise und, allgemeiner betrachtet, auf ein erschreckend absolut gestelltes Verhältnis vom vermeintlich “Richtigen” und “Falschen”. Auch deshalb ist diese Partei bei den nächsten Wahlen keine Option für mich.

  2. niwo avatar
    niwo

    @Beppi
    Auch deshalb ist diese Partei bei den nächsten Wahlen keine Option für mich.

    Volle Zustimmung. Eine Partei, die sich im Jahre 2010 noch für die flächendeckende Rehabilitierung der faschistischen Namen einsetzt ist unwählbar. Die Grünen Südtirols haben den Kompass verloren.

    “Namen in der eigenen Sprache zur Verfügung haben, bedeutet Gefühl der Beheimatung”

    Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Grünen waren da schon mal weiter. Gianni Lanzinger vertritt beispielsweise die These, dass sich die Volksgruppen in Südtirol erst dann verstehen, wenn sie dieselben Dinge auch beim selben (Eigen)Namen nennen. Der Rest zementiert Parallelgesellschaften und widerspricht zu 180° internationalen, wissenschaftlichen Gepflogenheiten, aber dies scheint unserer grünen Intelligenzia in ihrem gesellschafts/politischen Elfenbeinturm wohl gleichgültig zu sein.

  3. anonym avatar
    anonym

    Volle Zustimmung!
    Aber nach dem was Frau Foppa hier und anderswo schon zum Besten gegeben hat wundert mich ehrlich gesagt nichts mehr -der Rest der Truppe scheint nicht besser zu sein. Ob die Grünen in Ö und D es genau sehen oder vielleicht doch schockiert wären wenn ihresgleichen faschistische Relikte verteidigen?

  4. hunter avatar
    hunter

    der großartige alexander van der bellen ist bislang der einzige politiker, den ich kenne, der auch einmal einen fehler öffentlich eingestehen konnte, der zugibt, dass man als politiker seine meinung ändern darf, wenn man gute gründe dafür hat bzw. eines besseren belehrt wurde und der auch sogar einem h.c. strache rechtgibt, sollte dieser ausnahmsweise einmal etwas vernünftiges sagen (obwohl er ihm hin und wieder auch ordentlich einschenken konnte, wie http://www.youtube.com/watch?v=A5zGtR55hjI zweigt).

    wolfgang schüssel hingegen behauptet bis heute, dass er nicht gelogen hat, als er meinte, dass er in opposition ginge, sollte er bei den wahlen nur drittplatzierter werden. ein paar wochen später war er kanzler.

    leider hat sich aber gezeigt, dass für solch besonnene, aufrichtige und vernünftige menschen wie AvdB der plafond bei rund 15 prozent der wählerstimmen liegt. wer darüber hinaus will, muss ein marktschreierischer populist sein und darf keinesfalls langfristig denken. daher haben die österreichischen grünen den guten sascha auch in die zweite reihe abgeschoben und durch die eva ersetzt, die das marktschreien ausgezeichnet beherrscht.

    ob das für sie langfristig gut ist, wird sich zeigen. für mich haben sich die österreichischen grünen durch diesen schritt jedoch zu einer “gewöhnlichen” partei gewandelt und die chance auf eine “andere art von politik” vertan. charaktäre wie günther nenning, freda meissner blau oder andreas wabl hätte heutzutage keinen platz mehr. aus vielfalt wurde einfalt. leider.

  5. succus avatar
    succus

    Was für ein Genuss dieses Video, wie vermisse ich Van der Bellen! Gleichzeitig wird einem bewusst, welche Mittelmäßigkeit in der Politk herrscht. In Ansätzen habe ich einige Tugenden Van der Bellens bei Hans Heiss gefunden, leider spielt er aber nicht mehr die Rolle die er hatte. Wie schön wäre es doch, Intelligenz, Liberalismus und Ehrlichkeit wieder in einer Person zu finden.

  6. fabivS avatar
    fabivS

    >Namen in der eigenen Sprache zur Verfügung haben, bedeutet Gefühl der Beheimatung

    Mamma mia! Se è vero, come mi dispiace allora per i poveri sudtirolesi, che lungo l’Adige chiamano i loro paesi con nomi che vantano etimologie in lingue ormai del tutto scomparse. Glurns, Prad, Tschars, Algund, Lana, Eppan, Kaltern… certo che devono sentirsi proprio spaesati!

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