Pünktlich wie der Winter bricht auch die Diskussion über die (National-)Gefühle »unserer« Sportlerinnen übers Land herein: Jeder Sieg, jede Medaille, jeder Fahnenschwenk wird von Fanatikerinnen aller Lager genau unter die Lupe genommen und öffentlich seziert, die Athletinnen werden von den Medien hin- und hergezerrt und zum Fahneneid genötigt, wenn es nicht gar zu peinlichen Bloßstellungen wie im Falle Plankensteiner vor weniger als einem Jahr kommt. Mit Sicherheit gesellt sich im Hintergrund die eine oder andere Mobbingepisode der Sportverbände hinzu — von persönlichen Abhängigkeiten und Loyalitäten der Athletinnen ganz zu schweigen.
Florian Kronbichler hat diese missliche Lage vor wenigen Wochen in einem Sonntagseditorial des Corriere dell’A.A. treffend beschrieben und ist zum wohl nachvollziehbaren Schluss gekommen, man solle der Diskussion ganz einfach aus dem Weg gehen, indem man sie verschweigt: Nicht fragen, nicht provozieren. Das scheitert aber daran, dass Sport immer auch die Gefühlsebene berührt (eigentlich — ob man es mag oder nicht — seit jeher die Fortführung von Politik mit anderen Mitteln ist) und außerdem immer wieder Journalistinnen auf »Italienerinnen« mit merkwürdigen Namen stoßen werden, die nach ihrer Herkunft und Zugehörigkeit zu befragen ein naheliegender Reiz ist.
Auch hier glaube ich, dass sich für eine Art »dritten Weg« starkmachen sollte: Ich denke da an die Forderung nach einem eigenen Südtiroler Team (Nationalteam möchte ich es ganz bewusst nicht nennen), konstitutiv mehrsprachig nach Schweizer Vorbild und: ohne Zwang. Die Südtiroler Athletinnen sollten frei nach eigenem Gewissen entscheiden dürfen, ob er nun für Südtirol an den Start gehen will oder nicht. Diese Möglichkeit würde den Fahnenschwenk auf die individuelle Ebene der einzelnen Athletinnen zurückführen und niemanden — wie heute — zu einer Zwangszugehörigkeit nötigen, mit der sie unter Umständen nicht glücklich und die zu rechtfertigen sie außerstande ist. Anders als das Dilemma zwischen »Italien« und »Österreich« wäre ein Südtiroler Team (für eine Südtirolerin) eher neutral, da es sich hierbei um eine weitgehend unstrittige, territoriale Zuordnung handelt. Es wäre also lediglich eine zusätzliche Option — nicht gegen, sondern für etwas: Für die Freiheit der Sportlerinnen, für dieses Land, für ein entspannteres Zusammenleben, zur Entschärfung und (größtmöglichen) Entpolitisierung. Ein Beitrag zum Border Blurring.
Was den ökonomischen Gesichtspunkt betrifft, so dürfte es wohl — anders als oft nahegelegt wird — keine Schwierigkeit sein, den Spitzensport aus den prall gefüllten Landeskassen zu finanzieren. Auch weil dies ohnehin schon teilweise über den Umweg der Südtirolwerbung geschieht. Das Land könnte den Athletinnen u. U. sogar bessere Bedingungen bieten als heute, da der Staat für einige Disziplinen, gerade im Wintersport, nicht eben viel Geld übrig hat: Im internationalen Vergleich müssen sich die Südtirolerinnen meist mit vernachlässigbaren Summen zufrieden geben.
[Der positive Werbeeffekt eines Südtiroler Teams wäre wohl ohnehin gigantisch, wodurch vermutlich große Summen wieder ins Land zurückgespült würden.]
Grundsätzlich gilt festzustellen, dass es sich bei diesem Vorhaben beileibe nicht um eine Pioniersleistung handeln würde: Im Fußball und im Rugby führen Schottland, Nordirland und Wales seit jeher eigene Teams. Und auch in jüngerer Zeit ist es zur internationen Anerkennung »regionaler Teams« gekommen. So führt etwa Katalonien in folgenden Sportarten bereits vollständig anerkannte Nationalteams: Eislauf, Skating und Rollerhockey, Pitch and Putt, Bodybuilding, Kampfsport und Taekwondo, Hallenfußball, Australian Football, Twirling, Kickboxing, Karate, Eisstockschießen, Racketball, Korfball. Natürlich sind das größtenteils keine sehr populären Disziplinen, doch es ist ein erster sehr konkreter Schritt. Außerdem ist zu sagen, dass Feld- und Rollerhockey in Katalonien neben Fußball absolute »Nationalsportarten« sind. Für weitere 73 (!) Sportarten gibt es bereits unabhängige katalanische Verbände, die — von der öffentlichen Hand und einer eigenen Plattform offiziell und tatkräftig unterstützt! — an ihrer internationalen Anerkennung arbeiten.
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