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Kosovo-Unabhängigkeit rechtmäßig.

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Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat heute den Inhalt seines Rechtsgutachtens über die einseitige Unabhängigkeitserklärung des kosovarischen Parlaments Anfang 2008 bekanntgegeben. Das höchste Rechtssprechungsorgan der UNO befindet darin, dass Kosovo nicht gegen internationales Recht verstoßen habe, weil dieses unilaterale Unabhängigkeitserklärungen nicht verbiete. Der Präsident des Tribunals, Hisashi Owada, wies ausdrücklich darauf hin, dass das Urteil nicht bindend sei. Außerdem unterstrich er die Besonderheit des untersuchten Falles. Bis heute wurde Kosovo von 69 der 192 UNO-Mitgliedsländer (und 22 von 27 EU-Mitgliedern) anerkannt. Das Gericht gab heute seine Entscheidung bekannt, nachdem Ende 2009 die Argumente von über 30 befürwortenden und ablehnenden Ländern angehört worden waren. Nachdem Serbien vor dem IGH geklagt hatte, legitimiert dieses Urteil nun das Vorgehen Kosovos.

Der Internationale Gerichtshof ging auch auf die Resolution Nr. 1233 des UNO-Sicherheitsrates ein, die im Juni 1999 verabschiedet wurde und welche eine vorläufige Rechtsordnung festlegte, die dazu dienen sollte, die Stabilität in der Region herzustellen. Ein Teil dieser Resolution beauftragte die UNO damit, einen politischen Prozess anzustoßen, um den Status des Kosovo zu definieren. Das Gericht kam diesbezüglich zum Schluss, dass auch diese Resolution die Unabhängigkeit nicht berührt, da sie eine einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht verbiete. Sie sei ausschließlich dazu gedacht gewesen, eine Verwaltungsgliederung innerhalb Kosovos zu schaffen. Deshalb stehe Resolution Nr. 1244 nicht im Widerspruch zur einseitigen Unabhängigkeitserklärung.

Außerdem kommt das Tribunal zum Schluss, dass im Falle einseitiger Unabhängigkeitserklärungen gemäß internationalen Rechts die “verfassungsmäßige” Legalität im von der Sezession betroffenen Staat weder bindend noch in irgend einer Form relevant sei. Diesbezüglich erinnerte Herr Owada daran, dass mehr als die Hälfte der heutigen 192 UNO-Mitgliedsländer vor einem halben Jahrhundert nicht existierten, und dass die Mehrheit der betreffenden Unabhängigkeitsprozesse nach dem Recht der von Sezession betroffenen Staaten nicht legal gewesen wären, weil zum Beispiel die innere Verfassungsordnung dagegen sprach.

Der heutige Entscheid des IGH könnte Neuheiten in diesen Rechtsbereich bringen, für den es kaum internationale Gesetzgebung oder Rechtsprechung gibt. Die Legitimierung der einseitigen Sezession des Kosovo könnte sich auf andere Unabhängigkeitsprozesse auswirken, nachdem dadurch eines der wichtigsten Gegenargumente der Staaten entfällt: Die Unantastbarkeit der Grenzen (territoriale Integrität).

Obwohl das Urteil im Falle Kosovos keine unmittelbaren Folgen hat — weil es niemanden dazu verpflichtet, Kosovo anzuerkennen — wird doch damit gerechnet, dass sich jetzt weitere Staaten dazu entschließen werden, diplomatische Beziehungen zum Balkanland aufzunehmen.

Kosovo hat seine Unabhängigkeit von Serbien am 17. Februar 2008 mit einer unilateralen Erklärung seines Parlaments verkündet. Vier Monate später beschloss Kosovo das Inkrafttreten seiner Verfassung. Damit übernahm die Regierung des Landes zahlreiche Zuständigkeiten eines souveränen Staates.

Neunundsechzig Länder (22 von 27 EU-Mitgliedern) anerkennen Kosovo offiziell, darunter die USA, Frankreich, Italien, Deutschland, Vereinigtes Königsreich, Belgien, Niederlande, Schweiz, Irland, Schweden, Island, Slowenien, Kroatien, Costa Rica, Österreich, Senegal, Estland, Dänemark, Lettland, Perù, Finnland, Japan, Kanada, Ungarn, Norwegen, Litauen, Kolumbien, Portugal, Montenegro, Australien, Tschechien und Bulgarien.

Von den 27 EU-Mitgliedsstaaten verweigern bis dato nur Griechenland, Zypern, Rumänien, Spanien und Slowakei eine Anerkennung.

Quelle: Racó Català
Übersetzung:



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Comentârs

7 responses to “Kosovo-Unabhängigkeit rechtmäßig.”

  1. democratico avatar
    democratico

    “Außerdem kommt das Tribunal zum Schluss, dass im Falle einseitiger Unabhängigkeitserklärungen gemäß internationalen Rechts die ”verfassungsmäßige” Legalität im von der Sezession betroffenen Staat weder bindend noch in irgend einer Form relevant sei.”

    “Die Legitimierung der einseitigen Sezession des Kosovo könnte sich auf andere Unabhängigkeitsprozesse auswirken, nachdem dadurch eines der wichtigsten Gegenargumente der Staaten entfällt: Die Unantastbarkeit der Grenzen (territoriale Integrität).”

    Thumbs up!

  2. Gorgias avatar
    Gorgias

    Dass es für die Bevölkerung im Kosovo kaum noch zumutbar ist zu Serbien zu gehören ist nach den genozidalen Ereignissen gut zu verstehen, leider sehe ich in dieser Unabhängigkeitserklärung des Kosovos keine Erfolgsgeschichte. Der Kosovo ist auf dem Weg sich zu einem failed state zu entwickeln, der es kaum schafft aus eigener Kraft zu existieren.

    Interessant wäre es aber den Fall des Kosovos mit dem Südtirols zu vergleichen, um zu sehen in wieweit es realistisch ist für Südtirol, ein souveräner Staat (die Worthülse Freistaat hängt mir bald zum Halse raus) zu werden.

    Auch ist zu berücksichigen, dass der Kosovo einen starken Befürworter für seine Unabhängigkeit hatte (USA) und das Land von dem es sich abtrennen wollte, war international isoliert. Im Fall von Südtirol haben wir auf der politischen Weltbühne keine Befürworter, Italien ist diplomatisch eine Großmacht und Global Player wie China, Russland treten prinzipiell gegen jede Sezessionsbewegungen auf, und die Vereingten Staaten würden kaum sich gegen einen NATO-Bündnispartner stellen, wenn er dabei wäre ein Stück seines Territorium zu verlieren.

    Ich finde das Motto: “Was der Kosovo kann können wir auch.” oberflächlich und wenig durchdacht.

  3. pérvasion avatar

    Ich finde das Motto: ”Was der Kosovo kann können wir auch.” oberflächlich und wenig durchdacht.

    Eine solche Haltung wäre wirklich töricht — und sie wird von einigen Selbstbestimmungsbefürwortern tatsächlich eingenommen. Töricht wäre es aber auch, nicht trotzdem stets ein wachsames Auge zu haben, um zum Beispiel zu registrieren, dass der IGH nach Einschätzung zahlreicher Beobachter eine Kerbe ins Völkerrecht geschlagen hat, die potentiell auch für andere Unabhängigkeitsbestrbungen von Interesse sein könnte. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger…

  4. hansi avatar
    hansi

    @gorgias

    Im Fall von Südtirol haben wir auf der politischen Weltbühne keine Befürworter, Italien ist diplomatisch eine Großmacht

    Ich finde dieser Satz ist so nicht richtig. Es kommt international wie du richtig schreibts oder es zumindest andeutest immer auf den Preis an. Wenn heute Südtirol mit diesen Ländern (USA, Russland, China) in einigen Bereichen oder Regionen eine gute Zusammenarbeit pflegt, so kann es durchaus sein, dass man im Falle einer Verabschiedung von Italien einige positive Überraschungen erlebt.
    Und dass Italien heute eine diplomatische Großmacht ist, glaubst du wohl selbst nicht. Hier kann man das Wort “ist” getrost mit “war” austauschen.

    Ich finde das Motto: ”Was der Kosovo kann können wir auch.” oberflächlich und wenig durchdacht.

    Diesen Satz jedoch glaub ich kann man zu 100% unterschreiben, denn die Ausgangspositionen waren völlig andere. Denn zuerst war es eine politisch motivierte Abtrennung, mit vorauseilenden schweren Völkerrechtsverletzungen und geopolitischen Interessen (USA und die restl. Westmächte stellten sich auf die Seite Kosovos, nicht ohne geostrategische Interessen), mit dem IGH-Urteil wird es jedoch jetzt auch eine rechtliche. In dem Sinne ist der Satz den einige bringen: “was der Kosovo kann, können wir auch” zwar oberflächlich, aber nach dem neuesten internationalen Gerichtsurteil nicht mehr so abwegig wie zuvor, da die rechtliche Rahmenbedingung einer Selbstbestimmung offiziell bestätigt wurde.
    Viele vergessen, dass es in unserem Land Südtirol vor Jahrzehnten noch sehr schlimme Zustände gab, sodass viele u.a. im Zuge der Option (nichts anderes als ein Versuch, das Land ethnisch zu verändern) auswandern mussten. Zum Glück ist das heute nicht mehr so. Die Rahmenbedingungen für eine Selbstbestimmung sind aber sicher nicht schlecht, denn wir in Südtirol hatten nie das Recht uns zu entscheiden, ob wir zu Italien gehören wollen. In Europa gehört dies jedoch zum Normalfall. Auch Südkärnten (also die slowenischen Gebiete) und die italienischen Regionen im Zuge der Einheit Italiens hatten zum Beispiel diese Möglichkeit.

  5. pérvasion avatar

    Was die Wahrscheinlichkeit der internationalen Anerkennung einer etwaigen einseitigen Unabhängigkeitserklärung Südtirols anlangt, bin ich mit Gorgias völlig einer Meinung. Italien hat sehr viele Verbündete, die niemals einer Abtrennung Südtirols zustimmen würden. Am ehesten könnte man sich Zustimmung von Ländern erwarten, die (auch unter völlig anderen Vorzeichen) ähnliche Prozesse mitgemacht haben — die baltischen Republiken, Tschechien, Slowakei oder etwa Island. Aber auch diese Staaten haben ein Interesse an guten Beziehungen zu Italien und seinen Verbündeten, weshalb auch diese Variante in der heutigen Konstellation extrem unwahrscheinlich (um nicht zu sagen: absolut unmöglich) erscheint. Eine Chance hat meines Erachtens nur ein Prozess, der innerhalb der EU — möglichst zusammen mit anderen Regionen, die ähnliche Absichten verfolgen — als innere Erweiterung vorangetrieben wird. Conditio sine qua non ist aber (nicht nur aus BBD-Sicht!) ein territorialer, sprachgruppenübergreifender Konsens. Und davon sind wir, das zeigt der Schilderstreit, meilenweit — nein: Lichtjahre! — entfernt.

  6. otto avatar
    otto

    @pervasion

    vorsicht mit dem wort “niemals”! ich war 1985 in deutschland und hatte in einer diskussion gemeint, gorbatschov wird die welt so verändern, dass wir noch nach russland ein- und ausreisen können. die anderen, sehr konservativen diskutanten, meinten, das würde NIEMALS möglich sein, ich verkenne die macht des kommunismus.

    resultat kennen wir.

    zu den staaten, die eventuell südtirols sezession anerkennen würden: die slowakei kannst du streichen, das hat man ja jetzt beim kosovo gesehen: sie hat zu jenene 5 eu-staaten gehört, die die anerkennung verweigerten. die slowakei hat nämlich panische angst, dass die 500.000 ungarn entlang der südgrenze (zu ungarn) dasselbe fordern würden. wobei die repressive haltung der slowakei zu ihrer ungarischen minderheit genau die sezessionstendenz fördert. vergeliche mit unserer lage.
    die slowakei verhält sich damit sehr widersprüchlich zu ihrer eigenen sezession im jahr 1991 .

  7. laios avatar
    laios

    Jede Region und jedes Volk, welches nach Unabhängigkeit von einem fremden Staat strebte oder strebt hat seine eigene Geschichte, Umstände und Voraussetzungen und ist somit nur bedingt miteinander vergleichbar. Trotzdem hat gerade Süd-Tirol sicherlich nicht schlechtere Voraussetzungen als andere Regionen. Präzedenzfälle einseitiger Unabhängigkeitserklärungen in der Nachkriegsära Westeuropas gibt es nicht. Grönland etwa ist im gegenseitigen Einvernehmen mit Dänemark auf dem Weg zur vollständigen Unabhängigkeit. Wirklich spannend wird es, wenn die Selbstbestimmung Kataloniens gelingen würde und darauf eine einseitige Unabhängigkeitserklärung erfolgte. Das wäre dann sowas wie der Startschuss für einige andere Regionen in Westeuropa, bei denen eine beidseitige Unabhängigkeitserklärung nicht gegeben ist. Spanien ist in seiner politischen Bedeutung und Gewichtung durchaus mit Italien vergleichbar. Ich sehe es auch so, dass Süd-Tirol sicherlich nicht dieser Präzedenzfall sein wird, obwohl die rechtlichen und historischen Voraussetztungen wie gesagt durchaus eindeutiger und besser sein dürften als bei anderen Regionen. Die Sache bleibt auf jeden Fall spannend. Die Machtelite hierzulande hat das Urteil in Den Haag durchaus vernommen und die Ohren gespitzt. Wie jedoch der jüngste in meinen Augen erstaunlich positive Dolomiten Artikel zur Selbstbestimmung in der Dolomiten Zeitung zu bewerten ist, ist eine andere Frage. Wahrscheinlich das übliche taktische und feilscherische Geplänkel der Athesia-SVP Combo.

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