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Gleichberechtigung? Nicht zumutbar.

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Herr Roland Lang hat mir einen sehr aufschlussreichen Briefwechsel zwischen ihm und »unserem« Europaabgeordneten Herbert Dorfmann zukommen lassen, in dem es um die Gleichberechtigung der deutschen und der italienischen Sprache in der Produktetikettierung geht. hat schon mehrmals bemängelt, dass Sprachrechte als Teil des Konsumentenschutzes hierzulande — auch im Vergleich zu anderen Regionen (Katalonien, Tessin…) — völlig vernachlässigt wurden. Nun erfahren wir aus dem Munde des Europaabgeordneten, dass er darin nicht im entferntesten ein Problem erkennen mag; in einer haarsträubenden Stellungnahme rechtfertigt er dies mit Argumenten, die das Recht auf Gebrauch der Muttersprache generell ad absurdum führen.

Jene Partei, die uns das heutige Autonomiemodell als endgültige und beste Lösung verkauft sieht also keinen Handlungsbedarf, wenn es um die Gleichberechtigung der Sprachen in Südtirol geht.

Roland Lang > Herbert Dorfmann am 27. Juni:

Sehr geehrter Herr EU Abg. Dr. Herbert Dorfmann

Bezugnehmend auf Ihr Interview in der Südtiroler Tageszeitung vom 23.6.2010 “Angst um Nutella” haben Sie laut Tageszeitung u.a. auch folgendes bemerkt:
“Es ist mein Recht zu wissen, was in den Lebensmitteln alles enthalten ist”. Ebenso steht im Artikel “Dorfmann spricht sich für eine informativere Etikettierung aus.”
Als Endverbraucher von Lebensmitteln muss ich Ihnen dazu vollkommen Recht geben und danke Ihnen für Ihren Einsatz dafür.
Allerdings würde das Recht, zu wissen, was in den Lebensmitteln drinnen ist sowie eine “informativere Etikettierung” von Lebensmitteln in Südtirol auch die zweisprachige Etikettierung (Deutsch und Italienisch) voraussetzen. Besonders für die immer zahlreicheren Allergiker! Diese Angelegenheit wurde von der EU eigentlich bereits in folgendem Rechtsakt der EU berücksichtigt:

Laut Rechtsakt und Richtlinie 2000/ 13/ EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. September 2000 befindet der letzte Passus:

“VERWENDUNG DER SPRACHEN FÜR DIE ETIKETTIERUNG

Am 10. November 1993 hat die Kommission eine Mitteilung über die Verwendung der Sprachen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Auslegung der Rechtsvorschriften) im Anschluss an das Urteil “Peeters” genehmigt [KOM(93) 532 endg. – Amtsblatt C 345 vom 23.12.1993].
In dieser Mitteilung weist die Kommission darauf hin, dass die Etikettierung von Lebensmitteln, die ohne Weiterverarbeitung an Letztverbraucher verkauft werden, in einer leicht verständlichen Sprache abzufassen ist; dies ist/sind im Allgemeinen die Amtssprache(n) des Landes, in dem der Verkauf erfolgt. Allerdings dürfen Ausdrücke in einer Fremdsprache, die für den Käufer leicht verständlich sind, verwendet werden.”

Da in Südtirol -Autonome Provinz Bozen- deutsch und italienisch gemäß Autonomiestatut Amtssprachen sind, muss die Richtlinie 200/ 13/ EG wohl dahingehend verstanden werden, dass die Etikettierung von Lebensmittel für den Letztverbraucher sowohl in italienischer wie deutscher Sprache erfolgen muss.

Sehr geehrter Herr EU Abg. Dr. Dorfmann, ich möchte Sie ersuchen, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden. Es wäre auch ein Beitrag zum friedlichen Zusammenleben, wenn die Hausfrau deutscher Muttersprache ebenso wie ihre Italienische [sic] die Tabellen über die Brennwerte, die Kalorien und eine klare Auflistung der Inhaltsstoffe in ihrer Muttersprache lesen könnte. Ganz im Sinne der Gleichbehandlung der Volksgruppen in Südtirol.

Bitte informieren Sie mich, welche Schritte Sie in dieser Angelegenheit unternehmen werden!

Mit freundlichen Grüßen

Roland Lang

Terlan/ Südtirol

Herbert Dorfmann > Roland Lang am 29. Juni:

Sehr geehrter Herr Lang,

danke für Ihr Mail. Nun ja, ich teile Ihre Bemerkungen nur teilweise.

Lebensmittelhersteller verpacken ihre Lebensmittel so, dass sie diese mit der gleichen Verpackung in einem möglichst großen Gebiet verkaufen können. Es ist zwar alles schön und recht, aber es erscheint mir höchst unwahrscheinlich, dass internationale Hersteller, und um solche handelt es sich in den allermeisten Fällen, Lebensmittelverpackungen eigens für Südtirol herstellen. Stellen Sie sich einmal vor, ein Hersteller wie beispielsweise Loacker müsste bei der Etikettierung seiner Waffeln alle Sprachsituationen in Europa berücksichtigen…

Die Hersteller machen es sich entsprechend (und verständlicherweise) einfach: sie drucken ihre Hinweise in möglichst vielen Sprachen auf die Packungen, um in möglichst vielen Ländern mit der gleichen Verpackung verkaufen zu können. Kontollieren Sie deshalb einmal die Verpackungen in Südtirol: sie werden auf sehr vielen Verpackungen Angaben in dt, it, en und fr finden. Die genau gleiche Verpackung finden sie dann in Innsbruck, in München, in London oder in Paris.

Insofern unterscheidet sich die Lebensmittelkennzeichnung maßgeblich von der Kennzeichnung von Arzneimitteln, wo der Text auf den Beipackzetteln, auch aufgrund der Länge des Textes, meistens nur in einer Sprache, bei uns meistens in Italiensch abgedruckt ist. Dort bin ich übrigens dabei, hier im EP eine Regelung zu erreichen, damit die Hersteller verpflichtet werden, die Informationen in der Sprache des Käufers zur Verfügung zu stellen, sofern diese eine Amtssprache der EU ist.

Der Einsatz für die deutsche Sprache ist ein Leitthema meiner Arbeit, aber ich denke auch, dass es auch dabei ein bisschen europäischen Geist braucht. Und zum europäischen Geist gehört ganz grundsätzlich die Pflege der eigenen Sprache und das Erlernen anderer Sprachen. In der nun neu zu fassenden Richtlinie über die Lebensmittelkennzeichnung wird geregelt, wie Angaben über Zucker, Salze, Fette und Kohlenhydrate sowie Kalorienangaben zu gestalten sind. Jenseits aller Differenzen sollten wir auch in Südtirol zur Kenntnis nehmen, dass wir in einem Land leben, in dem das Erlernen beider Landessprachen für alle Bürger Teil der Schulpflicht ist. Ich erwarte mir deshalb eigentlich schon, dass alle Südtiroler die Begriffe Zucker, Salz, Fett, Kalorien ecc. in dt und it verstehen. Wenn dem nicht so sein sollte, dann sollten wir ernsthaft überlegen, ob der Sprachunterricht seine Pflicht erfüllt.

Auch diesbezüglich befinden wir uns übrigens auf einem vollkommen anderen Terrain wie bei Beipackzetteln, wo der Text oft kompliziert und schon in der Muttersprache schwer verständlich ist und übrigens das Nicht – Verstehen auch gefährlich sein kann.

Für mich geht also die in der Verordnung festgelegte Diktion in Ordnung, dass die Angaben in einer Amtssprache der Union sein müssen, von der man annehmen kann, dass die Konsumenten diese verstehen.

Für weitere Informationen stehe ich zu Ihrer Verfügung.

Herbert Dorfmann

  • Bestürzend ist, dass die Zweisprachigkeit (der Bürger) als Begründung herhalten muss, den Sprachen gleiche Würde und gleiche Rechte in Abrede zu stellen. Dies geschieht außerdem in einer Weise, dass der Staatssprache einseitig die Rolle als lingua franca im Privatsektor zuerkannt wird. Bürger italienischer Sprache haben das gesetzlich garantierte Recht, alle Informationen in ihrer Sprache zu erhalten, Deutschsprachige haben nur die Pflicht, die andere Sprache zu verstehen und zu sprechen. Mit ebendiesem Argument könnte man das Recht auf Zweisprachigkeit auch im öffentlichen Sektor auf wenige sensible Bereiche zurückstutzen oder aber ganz abschaffen.
  • Dass jedes Produkt, welches aus dem deutschen Sprachraum importiert wird, mühevoll italienisch nachetikettiert werden muss, stellt für den Europaabgeordneten folgerichtig kein Problem, sondern die Normalität dar.
  • Der Konsumentenschutz liegt Herrn Dorfmanns Denkweise völlig fern. Vorrangig sind nicht die Rechte des Bürges, sondern was man den Konzernen zumuten kann. Damit, dass Unternehmen in Kleinstaaten mit eigener Sprache (Island, Estland…) sehr wohl die Staatssprache benutzen, dass sie in der Schweiz mehrsprachig etikettieren, dass Katalonien mit eigenen Gesetzen für die Gleichberechtigung der Amtssprachen sorgt, hat sich der Europaabgeordnete offensichtlich noch nie auseinandergesetzt.
  • Dass man die Gleichberechtigung zumindest in der Form herstellen könnte (und müsste), dass außer einsprachig italienischen auch einsprachig deutsche Beschriftungen erlaubt werden — was Rechte und Pflichten beider Sprachgruppen angleichen würde — zieht der MEP nicht in Erwägung.

Cëla enghe: 01



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Comentârs

11 responses to “Gleichberechtigung? Nicht zumutbar.”

  1. ko avatar
    ko

    Die SVP Politiker entwickeln erschreckende Gedankengänge. Bei solchen Volksvertretern braucht es wahrlich keine Mussolinis oder Tolomeis mehr!

    Kurz gefasst: Siamo in Italia, allora impara italiano!

    Warum werden solche Sachen nicht in den Tageszeitungen veröffentlicht? Alle Südtiroler haben das Recht die Aussagen der SVP zu erfahren!

  2. niwo avatar
    niwo

    Jenseits aller Differenzen sollten wir auch in Südtirol zur Kenntnis nehmen, dass wir in einem Land leben, in dem das Erlernen beider Landessprachen für alle Bürger Teil der Schulpflicht ist. Ich erwarte mir deshalb eigentlich schon, dass alle Südtiroler die Begriffe Zucker, Salz, Fett, Kalorien ecc. in dt und it verstehen.

    Haarsträubend was man von einem EU Abgeordneten einer Minderheitenpartei vernimmt. Sollte der MEP Dorfmann diese Aussage nicht korrigieren, ist eine Rücktrittsforderung angebracht.
    Laut Dorfmann können wir Deutsch als Amtssprache ebenfalls abschaffen – es lernt ja eh jeder Italienisch in der Schule.
    Ob der Schaffner im Zug Deutsch sprich spielt ebenfalls keine Rolle – es lernt ja eh jeder Italienisch in der Schule.
    Carabinieri, Finanzpolizei idem.
    EinwandererInnen sollten auch davon überzeugt werden, dass es in Südtirol reine Zeitverschwendung ist neben Italienisch noch eine andere Landessprache zu lernen – es lernt ja eh jeder Italienisch in der Schule.
    Eine Partei, die sich auschließlich für die Rechte der deutsch- und ladinischsprachigen SüdtirolerInnen einsetzt (SVP) benötigen wir auch nicht mehr. Wozu denn auch – lernt ja eh jeder Italienisch in der Schule.
    Deutsch und Ladinisch sowieso, werden eh bald nur mehr Sprachen für den privaten Bereich sein. Die lingua franca für das Öffentliche ist dann einzig und allein die Staatssprache. Wirklich tolle Lösungen, die uns Dorfmann aus Brüssel anbietet.

  3. kick&win avatar
    kick&win

    E questi idioti vengono ancora pagati per dire certe scemenze (per non dire di più)?

    Si, davvero siamo in Italia!

    LIBERTà€ PER IL SUDTIROLO!

    Ps. l’idioti siamo noi… che ancora non abbiamo capito con chi abbiamo a che fare! L’SVP non è altro che un puttana comprata da Roma!

  4. Val. avatar

    Che bello, arriva l’estate e tornano le etichette.

  5. pérvasion avatar

    Certo, che non venga tradotto il nome di un maso è un grave problema per l’identità  italiana (e per la sicurezza!), mentre l’effettiva equiparazione delle lingue (il che non deve per forza significare bilinguismo sempre e ovunque, ma semplicemente pari opportunità , dignità  e diritti) in campi anche sensibili della vita quotidiana viene considerata una scocciatura.
    Confermando la logica della prevalenza «nazionale» però non arriveremo mai da nessuna parte — e inoltre non farà  altro che incrementare l’insoddisfazione della popolazione con questa autonomia.

  6. anonym avatar
    anonym

    Nur so nebenbei: Island hat 317.000 Einwohner! Wenn es also möglich ist für die extra Etiketten zu machen, dann ist es auch möglich für Südtirol.
    Also alles nur faule Ausreden von SVP&Dorfmann!
    Aber Island ist auch ein eigener Staat, die verwalten sich selbst!

    Und wenn man schon extra Etiketten für Italien anfertigen muss könnten diese in Südtirol zweisprachig sein oder wenn nur die ital. Etikette benötigt wird, diese zumindest nicht über den deutschen Text geklebt wird (hab ich hier schon mehrfach bemängelt). Aber im 21. Jahrhundert scheint das wohl nicht möglich zu sein.

    @ko
    warum das nicht veröffentlicht wird? wo denn? Dolomiten? :D AltoAdige? :D Südt. Tageszeitung am ehesten noch, aber Herrn Tribus wird das vielleicht auch nicht so wichtig sein…
    Was wir wirklich benötigen ist ein unabhängiges, neutrales Medium für alle Südtiroler.

  7. ko avatar
    ko

    @anonym
    zumindest sollten alle Oppositionsparteien von Herrn Lang diese Emails bekommen um es unters Volk zu bringen! Weiters gibt es viele Blogger, Facebook usw.
    Auch wäre interessant zu sehen was die SVP Parteibasis davon hält oder das Forum Heimat.

  8. anonym avatar
    anonym

    @ko
    alles schön und recht – nur die Masse der Leute erreichst du damit (noch) nicht, die lesen weiterhin Dolomiten (und sehen dementsprechend die Welt durch die Dolomiten-Brille) oder STOL

  9. ko avatar
    ko

    Das ist mir schon klar, nur von nichts kommt nichts! Also sollte man jede Gelegenheit nutzen die sich bietet. Und die immer noch beste Vorgangsweise ist zusammen gegen solche Politiker vorzugehen.

    Weiers muß man ein unabhängiges Medium gründen, vielleicht mit Hilfe österreichischer Tageszeitungen wie es zB die Liste Tirol einmal vorgeschlagen hat.

  10. hansi avatar
    hansi

    Die SVP will bei den Lebensmitteln nichts unternehmen. Genausowenig wie sie eine Europaregion Tirol wirklich will. Außer natürlich die wirtschaftlichen Beziehungen. Denn da wo Profit winkt und der Rubel ordentlich rollt, da ist auch “unsere” SVP sofort zur Stelle. Sonst wohl eher nicht.

    @ko
    Über SVP Politiker wird kaum negativ berichtet, außer es geht wieder mal um interne Machtkämpfe, da sind auch unsere “neutralen” Medien sofort dabei. Natürlich wird dann negativ über den berichtet, der nicht ganz in ihr Konzept passt.

  11. hansi avatar
    hansi

    Und wenn gar nix mehr weitergeht in Punkto Autonomie, Freistaat oder Europaregion, machen wir es wie damals (nur halt demokratisch) und lassen “unsere” Nationalstaaten einfach alleine, denn auf die ist sowieso kein Verlass. Gründen wir doch mit den Nord-Ost- und Welschtirolern einen eigenen Staat, dann haben wir die historischen Verhältnisse endlich wieder hergestellt. Damit Vorarlberg dann kein rumhängender Wurmfortsatz von Österreich ist, schlage ich vor es der Schweiz anzugliedern, was das alemannisch sprechende Ländle sowieso schon mal wollte. Im Ernst, diese Variante würde mir persönlich sehr taugen. Aber leider ist das Leben kein Wunschkonzert und die beiden Nationalstaaten natürlich nicht einverstanden.
    Jedenfalls hätten die drei anderen Landesteile Tirols damit wohl auch keine großen Probleme. Europäischer (dreisprachig), innovativer und im Tourismus stärker wäre kaum ein anderer Staat Europas.

    http://de-de.facebook.com/pages/Aus-Osterreich-Na-Na-aus-Tirol/126417290717605

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