Der sogenannte Fall Rizzolli hat ein Problem in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt, welches zu den grundsätzlichsten eines demokratischen Rechtsstaates gehört: Da hat — auf Hinweis zweier SVP-Parteifreunde — der Gemeinderat in geheimer Abstimmung entschieden, dass Rizzolli aufgrund seines Vorsitzes bei der Schlösserstiftung widerrechtlich kandidiert hatte. Urteil: Unwählbar. Rizzolli muss seinen Sessel im Gemeinderat mit sofortiger Wirkung räumen, seine Nachfolge tritt der Nächstgewählte seiner Liste (SVP) an.
Was zunächst nach innerparteilichem Geplänkel aussieht, offenbart jedoch bei näherem Hinsehen eine Praxis, welche das Prinzip der Gewaltenteilung ad absurdum führt. Da fällt ein politisches Gremium — der Gemeinderat — per Mehrheitsentscheid ein durch und durch politisches Urteil über eines seiner Mitglieder. Dem Missbrauch sind so Tür und Tor geöffnet. Konkret könnte die politische Mehrheit etwa einen unliebsamen, charismatischen Oppositionellen mit einer noch so fadenscheinigen Begründung aus dem Gemeindeparlament ausschließen. Dem bliebe dann nichts anderes übrig, als diesen Entscheid mühsam von einem Gericht revidieren zu lassen.
Die einzige rechtsstaatlich akzeptable Lösung wäre aber, dass nicht die Legislative oder die Exekutive, sondern ausschließlich die Judikative, also ein unabhängiger Richter, über die Unwählbarkeit befindet. Ganz egal wie man zur Wählbarkeit Rizzollis steht (darum geht es hier gar nicht) ist die gemeinderätlich festgestellte Unwählbarkeit rechtsstaatlich nicht akzeptabel. Dass sich der Bozener Vorfall im Inneren der Mehrheit abgespielt hat, macht ihn wenigstens politisch weniger brisant, als wenn die Mehrheit über einen Oppositionellen richten würde.
Der erste Fall von Mehrheitswillkür durch dieses Instrument liegt aber bereits vor: Der Gemeinderat von Natz-Schabs hat mehrheitlich (SVP) beschlossen, dass beide (!) Spitzenmitglieder der Bürgerliste unwählbar waren, weil sie sich mit der Gemeinde im Rechtsstreit befinden. Eine völlig absurde Argumentation: Da könnte die Gemeinde vor den Wahlen absichtlich einen Rechtsstreit mit führenden Oppositionellen anzetteln und damit deren Unwählbarkeit herbeiführen.
Der Bürgerliste Natz-Schabs kommen mit Lisl Tröbinger-Baumgartner und Philipp Mair zwei charismatische Führungspersönlichkeiten abhanden — was eindeutig im Interesse der Mehrheit liegen dürfte. Sie werden nun durch zwei andere Bürgerlistler im Gemeinderat vertreten, im besten Fall bis ein Gericht entscheidet.
Ein weiterer Punkt, der bis dato ungeklärt scheint: Was würde passieren, wenn auch die Nachrücker vom Gemeinderat für unwählbar erklärt würden, und zwar so lange, bis irgendwann niemand mehr nachrücken kann? Bei manchen Kleinstparteien ist das gar nicht so schwer, weil sie oft nur sehr wenige Leute auf der Liste haben.
Eine Abänderung dieser Regelung scheint unausweichlich und äußerst dringend. Wir benötigen eine administrative Instanz, die nach durchsichtigen Regeln schon vor einer Wahl die grundsätzliche Wählbarkeit attestiert, um die Rechtssicherheit zu erhöhen. Rekurse müssen im Zweifelsfalle auch dann noch erlaubt sein, doch diese müssen unbedingt vor Gericht und nicht in einem politischen Gremium ausgefochten werden.
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