Als Befürworter einer sozialdemokratischen, ökologischen und linksliberalen* Politik möchte ich hiermit nach fünf Jahren Blogerfahrung einmal mehr mein Unbehagen über die etablierten Linksparteien und ihre allseits bekannten Berührungsängste äußern.
Bei den soeben stattgefundenen Gemeinderatswahlen habe ich mich zum allerersten Mal in meinem Leben dazu veranlasst gesehen, einen weißen Stimmzettel abzugeben, weil ich mich von keiner angetretenen Partei vertreten gefühlt hätte. Ich habe in Brixen gewählt.
Bis hierhin ist das mein Problem. Das miserable, wenngleich schöngeredete Gesamtergebnis der Grünen Bürgerliste in Brixen — und (mit Ausnahme Merans) der Grünen im Allgemeinen — ist jedoch ein Problem der mittelinken Parteien insgesamt. Und eines der ökologischen und sozialen Wählerschaft, die sich in den Grünen nicht mehr wiedererkennt.
Das Problem der etablierten Linksgrünen oder Grünlinken in Südtirol — und dazu zählt ein mehr oder minder kompaktes Netzwerk aus Politikern, Intellektuellen, Führungspersönlichkeiten und Medien — sind gar nicht ihre überholten und schubladenhaften Positionen, sondern vielfach ihre ausufernde Borniertheit. Indem sie immer bestimmter den Alleinvertetungsanspruch und die Deutungshoheit darüber erheben, was in Südtirol links ist und was nicht, manövrieren sie nicht nur sich selbst, sondern das gesamte alternative Parteienspektrum (einschließlich seiner potentiellen Wählerschaft) ins gesellschaftliche und politische Abseits. Interne, aber auch externe Erneuerungsimpulse, alternative Vorstöße und Projekte werden nicht etwa einer ergebnisoffenen, konstruktiven Auseinandersetzung zugeführt, sondern größtenteils aufgrund ideologischer Voreingenommenheit konsequent unterbunden.
Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, konnte sich nur auf Gemeindeebene — und auch dort vor allem in den Landgemeinden — mit den Bürgerlisten eine relativ neue, offene und innovative Alternative bestätigen, die vielfach ebenfalls links der Mitte anzusiedeln ist. Dieses Potential zu binden und landesweit zu organisieren, damit es auch in der Landespolitik zur Geltung kommt, wäre derzeit die wohl spannendste Aufgabe einer öko|sozial|demokratischen Kraft.
Die Grünen haben es 2008 über die Abkürzung versucht, die Bürgerlisten zu kooptieren und vor ihren Karren zu spannen — mit der durchschaubaren Absicht, sich die Sysiphosarbeit (Parteiarbeit vor Ort) zu ersparen, wie sie etwa die Freiheitlichen geleistet haben. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Instanzen der Bürgerlisten hat jedoch nicht stattgefunden. Die Folgen sind bekannt: Die Wählerinnen haben sich nicht täuschen lassen, Grüne und Bürgerlisten konnten gemeinsam nicht so viele Vertreter in den Landtag entsenden wie die Grünen zuvor alleine, die Zusammenarbeit wurde aufgekündigt.
Bei den Gemeindewahlen sind die Grünen nur noch in den Städten angetreten, das Bürgerlistenpotenzial entfaltet sich auf kommunaler Ebene wieder frei. Für die Grünen ist dies eine Niederlage, aber die öko|sozial|demokratisch gesinnte Wählerschaft kann sich bei Landtags-, Parlaments- und Europawahlen wieder auf ein Vakuum gefasst machen, wenn es nicht zu einer Kursänderung kommt.
*) was partout nicht mit »wirtschaftsliberal« zu verwechseln ist
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