Am 15. August habe ich von der Ortspolizei Brixen einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen — via »elektronisch zertifizierter Post«, wie es auf dem »Übertretungsprotokoll« genannt wird (abgekürzt auf Italienisch: PEC).
Jetzt bleibt mir leider nichts anderes übrig, als hier wieder einmal einen Beitrag über das damit zusammenhängende, abwechslungsreiche Erlebnis zu schreiben.
Wohlgemerkt und vorausgeschickt: Ich beanstande die Strafe nicht, wiewohl ich mich an das Vergehen nicht erinnern kann. Da bin ich wohl selbst schuld. Es soll am 6. Juli stattgefunden haben, einen Strafzettel habe ich aber nicht auf der Windschutzscheibe gefunden. Vielleicht hab ich ihn übersehen, vielleicht unbewusst verwurschtelt, vielleicht war er nie da — aber immerhin ist die Zustellung mit Zertifizierter elektronischer Post (ZEP), anders mit der herkömmlichen, kostenlos.
Die Mitteilung erreicht mich von »poliziamunicipale.bressanone@legalmail.it«, die deutsche Sprache des Mailinhalts ist nicht nur zweitgereiht, sondern wohl auch falsch kodiert.
Im Betreff (Schwärzung von mir):
VORHALTUNGSPROTOKOLL GEM-¯ STRA¯ENVERKEHRSORDNUNG n.XXXXXX/X/19 RIF#XXXXXXXXXXXX
Im Text (Schwärzung von mir):
ZUSTELLUNG _BERTRETUNGEN DER STRASSENVERKEHRSORDNUNG MITTELS ZERTIFIZIERTER ELEKTRONISCHER POST (PEC)
BEZUG ID. XXXXXXXXXXXX
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
hiermit erfolgt, im Sinne der Art. 2 und 3 des Ministerialdekrets des Innenministeriums nr. 12 vom 18.12.2017, ver?ffentlicht im Amtsblatt der Republik am 16.01.2018, die Zustellung der digitalen Kopie eines Amtsaktes bez?glich einer von der Stra?enverkehrsordnung vorgesehenen Strafe, mittels zertifizierter elektronischer Post: das angef?gte Vorhaltungsprotokoll Nr. XXXXXX/X/19, ausgestellt zu Lasten eines Fahrzeuges, welches auf Ihren Namen zugelassen ist.
Zugeh?rige Anlagen
– XXXXXXXXXXXXXXXX_R_signed: Zustellungsbest?tigung mittels PEC. Der Datensatz wurde digital signiert.
– XXXXXXXXXXXXXXXX_V_signed: Protokoll in pdf-Format, inklusive Einzahlungsschein. Der Datensatz wurde digital signiert.
Insgesamte Anzahl der Anlagen: 2 (zwei).
WICHTIG: Verwenden Sie diese PEC-Mail-Adresse nicht f?r Mitteilungen zum gegenst?ndlichen Vorhaltungsprotokoll. BEFOLGEN SIE HIERZU AUSSCHLIESSLICH DIE IM ANGEF_GTEN VORHALTUNGSPROTOKOLL ENTHALTENE ANLEITUNG.
Mit freundlichen Gr??en
RIF steht wohl für riferimento, R für relazione di notifica und V für verbale.
Leider habe ich die Zustellung, aufgrund der etwas gemächlicheren letzten Woche, erst gestern Vormittag bemerkt. Damit waren auch schon die fünf Tage um, innerhalb derer ich 35,94€ statt 48,54€ hätte bezahlen können — mit einem Aufpreis von 12,60€ bin ich nun also dabei. Ich wusste ehrlich gesagt auch gar nicht, dass Verkehrsstrafen jetzt via ZEP zugestellt werden, aber das Gesetz kennt ja bekanntlich keine Unwissenheit.
Will ich mich noch bei der Ortspolizei erkundigen, ob jetzt keine Strafzettel mehr hinter den Scheibenwischer geklemmt werden (doch, werden sie!) und ob es nähere Details zur Übertretung gibt (es wurde ein Foto vom Auto gemacht, hilft mir aber nicht weiter). Weil auf dem Übertretungsprotokoll steht, dass ich mich »zwecks weiterer Auskünfte und Informationen« von Montag bis Freitag von 8.00 bis 12.00 Uhr an die Ortspolizei wenden kann, habe ich mich sehr beeilt, um nicht bis Montag im Ungewissen zu bleiben. Ein ziemlicher Act — um dann vor Ort herauszufinden, dass das Büro von Montag bis Freitag auch nachmittags geöffnet ist. Was mir der freundliche (wirklich!) Schalterbeamte nochmal mündlich bestätigt.
Die deutschsprachige Fassung des Protokolls (PDF-Datei) hat übrigens stellenweise (aber nicht durchgehend) ähnliche Kodierungsprobleme, wie die ZEP-Nachricht. Zudem ist meine Adresse auch dort nur in ihrer italienischen Fassung angeführt, bzw. zweimal unterschiedlich: einmal ist die gesamte Adresse italienisch, einmal nur der Straßen-, nicht aber der Ortsname.
Unter »Beträge und Zahlungsfristen« erfahre ich in merkwürdiger Schreibweise, dass ich vom »6° bis zum 60° Tag ab Vorhaltung oder Zustellung der Üb[e]rtretung« weniger bezahle, als ab dem 61. Tag.
Will ich also heute gleich alles hinter mich bringen, wofür ich online entweder eine Banküberweisung veranlassen oder das Zahlungssystem »pagoPA« (Italienisch für »pago pubblica amministrazione«) nutzen kann. Für letzteres wird mir die Adresse »www.epays.bz/cds-bressanone« angegeben, womit ich direkt zur entsprechenden Unterseite der Südtiroler Einzugsdienste gelange — allerdings nur in italienischer Fassung. Klicke ich auf die deutsche Sprachwahl, fliege ich raus und lande auf der Startseite von Epays/Einzugsdienste.
Ärgerlich, aber von dort ist es immerhin möglich, sich mit dem ÖSDI (heißt natürlich SPID) einzuloggen. Versprochen wird:
Kontoauszug
Ein einfaches und sicheres Verwaltungssystem
Im Kontoauszug können Sie Ihre bezahlten und noch zu bezahlenden Akten und Dokumente zu Gunsten der aktivierten Körperschaften aufrufen.
»Aktivierte Körperschaften«, das muss Wurschteldeutsch für »teilnehmende Dienste« oder sowas Ähnliches sein. Da gelange ich sicher zur Bezahlung meiner Strafe, sogar »einfach und sicher«.
Ergebnis nach Anmeldung mit dem ÖSDI (natürlich nur auf Italienisch möglich):
Error 500: javax.servlet.ServletException: java.lang.NoSuchFieldError: org/seda/payer/util/PropertiesPath.redirectMyCivis
Also doch manuell die deutsche Seite suchen. Unter den »Körperschaften« kann man zum Beispiel wählen zwischen »Freie Universität Bozen« (mit Umlauten), »Suedtiroler Sanitaetsbetrieb« (ohne Umlaute) und »Südtiroler Einzugsdienste« (wieder mit Umlauten). Weiter unten dann »Gemeinden«: Ich entscheide mich für Brixen und wähle »Verstöße Straßenverkehrsordnung«. So unkompliziert lande ich wieder dort, wo ich schon mit »www.epays.bz/cds-bressanone« gelandet war. Da ich einer dieser ausgefallenen Zeitgenossen bin, die auf Zweisprachigkeit bestehen, kostet das aber offenbar einen kleinen Mehraufwand.
Dort den »Zahlungsmitteilungskodex« eingegeben und schon sind alle Daten meines Strafzettels da (Adresse wieder ganz auf Italienisch). Ab in den »Warenkorb« (eine vorzügliche Wortwahl!) und mit dem ÖSDI eingeloggt (von hier aus klappt es) — ab da ist dann alles nur noch einsprachig Italienisch. Der Versuch, Zweisprachigkeit vorzutäuschen, wird nicht unternommen:
Schwärzung von mir.
So fühlt es sich also an, wenn man als Deutschsprachiger in einer mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinde Südtirols eine Strafe begleichen will. Vorzeigeautonomie. ZEP-Adresse italienisch, Zustellungsadresse auch, deutscher Text falsch kodiert, direkter Link nur zur italienischen Sprachversion und… konsequenterweise werde ich nach dem einsprachigen Bezahlvorgang auch direkt wieder auf die italienische Seite der Südtiroler Einzugsdienste zurückgeleitet.
Abschließend trudelt noch eine — immerhin zweisprachige — Bestätigungsmail von »epays-no-reply@altoadigeriscossioni.it« in meinem Postfach ein.
Ob ich jetzt vielleicht doch in den »einfachen und sicheren« Kontoauszug komme, probiere ich noch einmal erfolglos aus. Und auf der »Zahlungsmitteilung pagoPA«, die im PDF des Übertretungsprotokolls enthalten ist, entdecke ich zum Abschluss noch zwei weitere Schreibweisen von »vom 6° bis zum 60° Tag«:
- »vom 6ten bis 60ten Tag« und
- »vom 6. bis 60. Tag«.
Das nennt man glaub ich Konsistenz.
Ja, ich hätte die Strafe auch vor Ort »in bar« begleichen können, doch ich hatte mir zuerst noch überlegt, ob ich einen Rekurs einreichen soll. Eine Rechtfertigung für den bescheidenen Onlinedienst ist das ohnehin nicht.
Nachtrag: Auch den vollständigen Satz
Vom 6° Tag bis zum 60° Tag ab Vorhaltung oder Zustellung der Übrtretung ist die Zahlung des Mindestbetrages von Euro 42,00 (Übertretung/en) + Euro (Postspesen) + Euro + Euro 6,54 (Verwaltungskosten + Ermittlung des Fahrzeughalters) zum Gesamtbetrag von 48,54 Euro zugelassen.
finde ich ziemlich gelungen. Unterstreichungen von mir.
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