Den sogenannten Doppelpass hatte LH Arno Kompatscher (SVP) dem Spiegel gegenüber als »legitime Forderung« bezeichnet, wenn man ihn als »Vorstufe zu einer europäischen Staatsbürgerschaft sieht«. Das war am 12. Mai. Die Antwort des italienischen Außenministers Enzo Moavero ließ nicht lange auf sich warten: Eine europäische Staatsbürgerinnenschaft gebe es seit über einem Jahrzehnt, daher stehe auf dem italienischen Pass auch »Unione Europea« drauf. Diskussion beendet.
Trotzdem kann man sich mit diesem Pass in der Regel nicht an die Auslandsvertretung eines anderen EU-Staates wenden. Italien bekämpft diese Möglichkeit sogar aktiv. Mit einer anderen, als der italienischen Staatsbürgerinnenschaft darf man hierzulande auch nicht an Parlamentswahlen teilnehmen. Dafür muss man, wie wir nun wissen, einen Nachweis der Italienischkenntnisse erbringen, wenn man sich in eine Berufskammer einschreiben will — eine Pflicht, die für italienische Staatsbürgerinnen nicht besteht. Italien versucht sogar immer wieder, Minderheitenschutzrechte auf Personen mit italienischer Staatsbürgerinnenschaft zu beschränken. Kurzum: die Staatsbürgerinnenschaft ist nach wie vor vor allem national, was auch konkrete und spürbare Wirkungen entfaltet. Von einem ungeteilten europäischen Staatsbürgerschaftsrecht kann nicht die Rede sein.
Nun sind seit den Äußerungen von Moavero bald anderthalb Monate vergangen, aber von Gegnerinnen des Doppelpasses habe ich noch immer keine klare Kritik an seinen Worten vernommen. Sie bringen gern den EU-Pass in Stellung, wenn es darum geht, den Zugang zur österreichischen Staatsbürgerinnenschaft zu verhindern — Moavero hat im Namen des Status Quo (und der nationalen Vorherrschaft) einfach beides versenkt.
Die Stille aus dem Lager der Doppelpassgegnerinnen ist ohrenbetäubend — woraus ich den Schluss ziehe, dass es ihnen gar nicht sosehr um den EU-Pass geht, sondern in erster Linie um die Verhinderung der doppelten Staatsbürgerschaft. Liege ich falsch? Oder habe ich den empörten Aufschrei einfach nur überhört?
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