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Und halt schon wieder eine Zuständigkeit.

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ai

I.

Glaubt man dem Landespresseamt, kann sich Südtirol kaum noch wehren vor immer neuen Kompetenzen. Nachdem der Landeshauptmann heute in Rom war, ist von der Zuständigkeit die Rede, das neue Gefängnis in Bozen zu bauen — und zwar aufgrund des sogenannten Mailänder Abkommens, das unsere Finanzautonomie neu regelt.

Nun, man könnte die Geschichte auch etwas anders erzählen: Das Land baut eine Justizanstalt nach staatlichen Vorgaben und schenkt sie dem Staat — der seit Jahrzehnten außerstande ist, seinen diesbezüglichen Aufgaben nachzukommen. Das heutige Bozner Gefängnis ist eine Schande und für jeden Häftling eine Zumutung.

Inhaltlich wird das Land Südtirol auch zukünftig kein Mitspracherecht haben, höchstens eines, das sich auf Verhandlungen mit und Zugeständnisse durch den Staat beschränkt. Eine veritable Zuständigkeit ist das nicht.


Obwohl der Staat seine Zuständigkeiten nur mangelhaft wahrnimmt, werden die — angesichts der offensichtlichen Ineffizienz vermutlich überhöhten — Ausgaben stets mit eingerechnet, wenn es darum geht, die von Südtirol empfangenen Gelder aufzurechnen. Dieses Thema wird gesondert zu diskutieren sein.

II.

Im Vergleich zu jenen deutscher Bundesländer wurden die Zuständigkeiten Südtirols schon mehrmals als sehr weitreichend eingestuft. Auch ausgewiesene Fachleute wie Prof. Francesco Palermo von der Eurac bescheinigen dem deutschen Föderalismus eine de facto sehr geringe Dezentralisierung.

Ich selbst bin kein Experte auf diesem Gebiet, sondern beschränke mich vor allem auf Recherchen und Beobachtungen. Wenn ich aber auf dem bayerischen Justizportal lese, was der Freistaat auf diesem Gebiet alles regelt, komme ich nicht umhin daran zu zweifeln, dass die Südtiroler Autonomie diesbezüglich mehr zu bieten hat. Einige Auszüge:

Die Gerichtsbezirke und die Gerichtssitze sind durch das Gesetz über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern vom 25. April 1973, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.10.2004, festgelegt.

Zum Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz gehören:

– die Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg
– 22 Landgerichte
– 73 Amtsgerichte
– 11 amtsgerichtliche Zweigstellen

Legt Südtirol seine Gerichtsbezirke und Gerichtssitze eigenständig fest? Gehören die Gerichte in Südtirol zum Geschäftsbereich der Landesregierung?

Der Strafvollzug ist seit dem 1. Januar 2008 durch ein Landesgesetz (Bayerisches Strafvollzugsgesetz) geregelt. Das bislang geltende Strafvollzugsgesetz des Bundes wurde insoweit ersetzt. Dieses Dokument informiert Sie über die Kernaufgaben des Vollzuges.

Art. 2 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes lautet:
“Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Er soll die Gefangenen befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Behandlungsauftrag).”

Kann das Land Südtirol den Strafvollzug per Landesgesetz autonom regeln? Das wäre dann eine Zuständigkeit.

Natürlich weiß ich nicht, welchen Handlungsspielraum der Freistaat Bayern bei seiner autonomen Gesetzgebung besitzt und wie sehr er sich dagegen an Vorgaben des Bundes halten muss. Darüber wird uns vielleicht ein in diesen Dingen bewanderter Leser aufklären können.



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Comentârs

9 responses to “Und halt schon wieder eine Zuständigkeit.”

  1. Simon avatar

    Wieder anhand eines konkreten Beispiels wird offensichtlich, dass deutsche Bundesländer (zumindest in manchen Bereichen) weiter reichende Zuständigkeiten haben, als unsere Vorzeigeautonomie: Im derzeitigen Rechtsstreit zwischen Schweiz und BRD (wegen der Steuersünder-CD) hat die Eidgenossenschaft ein Rechtshilfeersuchen an das deutsche Bundesjustizministerium gerichtet. Spiegel Online zitiert eine Sprecherin des Ministeriums (u.a.) folgendermaßen:

    Zuständig für die Bewilligung von Rechtshilfeersuchen seien aber grundsätzlich die Regierungen der Bundesländer. Die Bundesregierung werde lediglich in Einzelfällen von besonderer Bedeutung konsultiert.

    Ist Südtirol für ausländische Rechtshilfeersuchen zuständig? Nein.

  2. anonym avatar
    anonym

    Genau dasselbe hab ich mir heute bei den Nachrichten auch gedacht :)
    Die Liste der Zuständigkeiten die in Deutschland ein jedes Bundesland hat und Südtirol im Vergleich dazu nicht ist sicher noch viel länger.
    Nur weiss Otto-Normal-Südtiroler nichts davon, weil ihm Tag für Tag die Volkspartei mit Lobeshymnen über die angeblich weltbeste Autonomie überschüttet und so die Wahrnehmung vernebelt.
    Nicht mal mit der Vollautonomie würden derartige Zuständigkeiten kommen.

  3. 1950er avatar
    1950er

    … und nochmals: – ?Freistaat (und weg von EU)? – ?”Vollautonomie (von Mama Romas Gnaden)? … Sind wohl keine Perspektiven!
    Eine Variante die nie vorkommt: – als Europaregion (oder als Teil davon) “ohne nationale Zugehörigkeit”! – Ist die Variante nicht auch wert diskutiert zu werden?!

  4. Simon avatar

    Freistaat (und weg von EU)?

    Siehe hier.

    Eine Variante die nie vorkommt: – als Europaregion (oder als Teil davon) ”ohne nationale Zugehörigkeit”! – Ist die Variante nicht auch wert diskutiert zu werden?!

    Ich bin der Auffassung, dass sich Europa regionalisieren muss. Nicht alle Nationalstaaten können/werden sich (wenn überhaupt) zeitgleich auflösen, für wesentlich realistischer halte ich eine Lösung, in der einzelne Regionen (wie ich sie nenne: »mit erhöhtem Selbstregierungsanspruch«) aus den jeweiligen Nationalstaaten austreten und sich direkt der EU unterstellen. Sie könnten der Union wesentliche Bereiche wie EU-Außenpolitik (also Außenpolitik gegenüber Nicht-EU-Staaten), Verteidigung etc. delegieren; sprich: die Zuständigkeiten der heutigen Nationalstaaten könnten nach dem Subsidiaritätsprinzip zwischen der Union und den Regionen aufgeteilt werden. Dass dies ein wahrscheinlicheres Szenario ist, als die Gründung eines (»herkömmlichen«) unabhängigen Staates, wage ich zu bezweifeln — ich halte es aber für ein durchaus sehr erstrebenswertes.

  5. 1950er avatar
    1950er

    … die Antworten auf häufige Fragen und Einwände sprechen mir aus der Seele!
    – Ich denke vor allem an Luxemburg, etwas mehr Einwohner als Südtirol, aber nur ein Drittel unseres Territoriums! Ich denke an Junker, der als Luxemburger und Europäer schon lange sehr geachtet ist! Ich denke an Luxemburg auch, weil es zusammen mit Belgien und den Niederlanden von Anfang an und unter europäischen Vorzeichen zusammengearbeitet hat!

  6. anonym avatar
    anonym

    Die “Häufige Fragen und Einwände” könnte man noch um einen Punkt erweitern:

    FRage: Würden wir den Euro verlieren?

    Antwort: Nein!

    Es gibt auch zahlreiche andere Länder die nicht Mitglied der Euro-Zone sind, aber den Euro benutzen, siehe https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Euro#Eurozone

    Zitat: “Zu den Nicht-EU-Ländern, die den Euro verwenden, gehören neben den Kleinstaaten Andorra, Monaco, San Marino und Vatikan auch Montenegro und Kosovo.”

    Wie man sieht kleine Länder und Länder, welche erst vor kurzem ihre Selbstständigkeit erlangt haben (Montenegro und Kosovo).

  7. Simon avatar

    Die Frage nach der Währung hatte ich hier kürzlich so beantwortet:

    Was die Währung anlangt, gibt es — für den Fall, dass Südtirol die Eurozone vorübergehend verlassen müsste — mehrere Möglichkeiten: 1. Passive Euronutzung (wie Andorra, Kosovo und Montenegro) ohne Mitgliedschaft in der EZB, wo wir ja schon heute nicht bzw. nur über Italien vertreten sind; 2. Passive oder aktive Nutzung einer anderen Währung; 3. eigene Übergangswährung. Die erste dieser Varianten wäre wohl vorzuziehen.

    Ich werde es in die FAQ einbauen.

  8. anonym avatar
    anonym

    @Simon
    kann es aber sein dass du die FAQ auf der Homepage bei den “1. Interne Verweise” nicht aufgelistet hast? mir ist das Bild mit den Fragezeichen erst heute aufgefallen :-)

  9. Simon avatar

    Konkretes Beispiel mal wieder: Im erneut aktuell gewordenen Fall Mehmet in Deutschland hatten sowohl die Stadt München, als auch der bayrische Innenminister bei der Ausweisung des straffällig gewordenen Jugendlichen ein gewichtiges Wort mitzureden — genauso, wie bei der jetzt von ihm gewünschten Rückkehr nach Deutschland. Kann sich jemand vorstellen, dass ein Südtiroler Landesrat (welcher?) in einem solchen Fall auch nur ein Mitspracherecht hätte?

    (Es geht mir bewusst nur um die Zuständigkeit an sich und nicht um die gefällten Entscheidungen, ich bin grundsätzlich gegen Ausweisungen.)

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