Am 10. November findet das von Ulrike Guérot und Robert Menasse mit Unterstützung von Milo Rau initiierte European Balcony Project statt. Damit soll gegen den wiedererstarkenden Nationalismus, für den Einigungsprozess und die Demokratisierung der Europäischen Union sensibilisiert werden.
Hundert Jahre zuvor wurden in Berlin und Wien am Ende des ersten Weltkriegs die jeweiligen Republiken ausgerufen.
Rund 100 europäische Kulturinstitutionen — zum Beispiel auch die Vereinigten Bühnen Bozen (VBB) — beteiligen sich an der Verlesung eines von Guérot, Menasse und Rau verfassten Manifests. Sie sind damit bis dato die einzigen »amtlichen« Teilnehmerinnen in der gesamten Euregio. In der zimbrischen Sprachinsel Lusern wird das Manifest (laut Homepage des Projekts) von einem privaten Balkon aus verlesen.
Das Manifest im Wortlaut:
ES LEBE DIE EUROPÄISCHE REPUBLIK!
Heute, am 10. November 2018 um 16 Uhr, 100 Jahre nach Ende des I WK, der auf Jahrzehnte die europäische Zivilisation zerstört hatte, gedenken wir nicht nur der Geschichte, sondern nehmen unsere Zukunft selbst in die Hand.
Es ist Zeit, das Versprechen Europas zu verwirklichen und sich an die Gründungsidee des europäischen Einigungsprojekts zu erinnern.
Wir erklären alle, die sich in diesem Augenblick in Europa befinden, zu Bürgerinnen und Bürgern der europäischen Republik. Wir nehmen unsere Verantwortung für das universale Erbe der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an, und geloben, sie endlich zu verwirklichen.
Wir sind uns bewusst, dass der Reichtum Europas auf Jahrhunderten der Ausbeutung anderer Kontinente und der Unterdrückung anderer Kulturen beruht. Wir teilen deshalb unseren Boden mit jenen, die wir von ihrem vertrieben haben. Europäer ist, wer es sein will. Die Europäische Republik ist der erste Schritt auf dem Weg zur globalen Demokratie.
Das Europa der Nationalstaaten ist gescheitert.
Die Idee des europäischen Einigungsprojekts wurde verraten.
Der Binnenmarkt und der Euro konnten ohne politisches Dach zur leichten Beute einer neoliberalen Agenda werden, die der Idee der sozialen Gerechtigkeit widerspricht.
Daher muss die Macht in den europäischen Institutionen erobert werden, um den gemeinsamen Markt und die gemeinsame Währung in einer gemeinsamen europäischen Demokratie zu gestalten.
Denn Europa heißt: Menschen zu einen und nicht Staaten zu integrieren.
An die Stelle der Souveränität der Staaten tritt hiermit die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger. Wir begründen die Europäische Republik auf dem Grundsatz der allgemeinen politischen Gleichheit jenseits von Nationalität und Herkunft. Die konstitutionellen Träger der europäischen Republik sind die Städte und Regionen. Der Tag ist gekommen, dass sich die kulturelle Vielfalt Europas endlich in politischer Einheit entfaltet.
Der Europäische Rat ist abgesetzt.
Das Europäische Parlament hat gesetzgeberische Gewalt.
Es wählt eine europäische Regierung, die dem Wohle aller europäischen Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen verpflichtet ist.Es lebe die Europäische Republik!
In Bozen werden Schauspielerinnen der VBB die Europäische Republik um 16.00 Uhr am Obstplatz ausrufen.
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