von Hermann Atz1Hermann Atz ist wissenschaftlicher Leiter des Sozialforschungsinstituts Apollis
Über die strittige Beauftragung von Ex-Senatorin Francesca Puglisi als Kommunikationsbeauftragte der Südtiroler Landesregierung ist an dieser Stelle schon mehrfach berichtet worden. Ihre Aufgabe wird es sein, das angeblich katastrophale Bild der Italiener und Italienerinnen von Südtirol zurechtzurücken — aber ist dieses Bild wirklich so schlecht?
Als Beleg für die Notwendigkeit einer solchen Charme-Offensive gelten die Ergebnisse einer Meinungsumfrage des Instituts Astarea, die in ganz Italien durchgeführt wurde.
Diese Studie ermittelte unter anderem als typische Eigenschaften der Südtiroler Bevölkerung, sie sei:
- kultiviert
- gastfreundlich
- konsequent
- standhaft
Ein Image, das wenig Anlass zur Sorge gibt, möchte man meinen.
Doch die Medienbotschaft, die auf diesen und ähnlichen Ergebnissen fußt, klingt nach akutem Notstand:
Überheblich und arrogant, und vor allem privilegiert. Dieses Bild hat das restliche Italien – Trentino ausgenommen – von den Südtirolern. So eine weitläufige Meinung – die nun belegt ist. Mit einer Umfrage, die die Landesagentur für Presse und Kommunikation in Auftrag gegeben hat, wollte das Mailänder Marktforschungsinstitut Astarea wissen: Wie ist es um das Bild Südtirols in Italien bestellt?
Zum Glück stand die Lösung des Problems schon bereit:
Die Umfrageergebnisse bilden die Grundlage für eine offensive Charme-Kampagne des Landes, um das Image Südtirols aufzupolieren. ‚Der gute Name Südtirols in Italien‘ oder auch ‚Der gute Ruf der Autonomie‘ nennt sich das Konzept, das die Landesagentur [vor Kurzem] im Landtag präsentierte.
gleiche Quelle wie oben
Da eine solche Kampagne — unabhängig von der Irritation, die die Beauftragung Puglisis hervorgerufen hat — einiges an Steuergeld kostet, scheint es recht und billig, die anscheinend besorgniserregenden Ergebnisse der Studie genauer auf den Prüfstand zu stellen, mit der sie gerechtfertigt wird. Versuchen wir es also, zumindest ansatzweise, an dieser Stelle.
Im Vergleich zu den Trentinern werden Südtiroler als älter, etwas weniger sympathisch, introvertierter, egoistischer, ethischer, weniger gesellig und traditioneller, strenger und weniger gastfreundlich wahrgenommen
heißt es weiter im zitierten Artikel.
Eine Prüfung der Orginaldaten ergibt, dass dies alles grundsätzlich zutrifft. Doch man muss sich auch die Größe der Unterschiede ansehen, z. B.:
- Konsequent/streng (vs. permissiv/gefällig): 62% Südtirol, 54% Trentino
- Egoistisch: 42% Südtirol, 36% Trentino
- Gastfreundlich: 62% Südtirol, 68% Trentino
- Sympathisch: 64% Südtirol, 65% Trentino
- Ethisch (vs. praktisch): 51% Südtirol, 50% Trentino
Die Imagewerte der beiden Bevölkerungen unterscheiden sich somit um maximal 8 Prozentpunkte, meistens deutlich weniger. Wer sich mit der Statistik von Stichproben einigermaßen auskennt, kann leicht nachrechnen, dass 8 Prozentpunkte bei 600 Befragten die Nachweisgrenze für einen signifikanten Unterschied bilden. Oder anders gesagt: Geringere Unterschiede könnten auch auf purem „Pech“ beruhen, etwa weil die nach dem Zufallsprinzip gezogene Stichprobe für Südtirol ungünstig zusammengesetzt ist.
Somit wäre eine korrekte Darstellung der Umfrageergebnisse folgende: Hinsichtlich der Eigenschaften „ethisch vs. praktisch“ und „sympathisch vs. antipathisch“ werden Südtirol und das Trentino völlig gleich bewertet, bei Egoismus und Gastfreundschaft kann man den Verdacht hegen, dass ein unterschiedliches (für Südtirol weniger schmeichelhaftes) Image bestehen könnte, bewiesen ist es nicht. Nur hinsichtlich der tourismustechnisch wenig relevanten Einstufung auf der Skala „konsequent vs. permissiv“ (severo-accondiscendente) ist die Differenz aus statistischer Sicht bedeutsam.
So gelesen, können die Ergebnisse der Astarea-Studie sehr wohl Aufschluss darüber geben, bei welchen Stereotypen eine ohnehin geplante Imagekampagne für Südtirol ansetzen könnte — sofern die jeweiligen Aspekte relevant sind und überhaupt beeinflussbar erscheinen. Auf keinen Fall sollten sie jedoch als Alarmsignal oder Beleg für ein katastrophal schlechtes Image gedeutet werden. Denn als kultiviert (71%) und gastfreundschaftlich (62%) angesehen zu werden, ist doch ein schönes Ergebnis, das bestärken sollte — auch wenn die Trentiner Bevölkerung beim zweiten Punkt (vielleicht) geringfügig besser dasteht.
Und was die anderen abgefragten Eigenschaften betrifft, sei die Frage erlaubt: Muss Südtirol genauso werden wie das Trentino?
- 1Hermann Atz ist wissenschaftlicher Leiter des Sozialforschungsinstituts Apollis
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