Der 24 Jahre junge mallorquinische Rapper Valtònyc (bürgerlich Josep Miquel Arenas) soll sich nach Brüssel abgesetzt haben. Dieser Tage hätte er in Spanien eine dreieinhalbjährige Haftstrafe antreten müssen, weil er in seinen Songtexten und während Konzerten den Terrorismus verherrlicht und die Würde des spanischen Königs verletzt haben soll. Majestätsbeleidigung, wie zeitgemäß!
Es sagt viel aus über den Zustand unserer gepriesenen Demokratien und unserer »Wertegemeinschaft«, wenn heute in Europa wieder Künstlerinnen wegen ihrer — durchaus umstrittenen und kritikwürdigen — Kunst flüchten müssen, um nicht im Knast zu landen. Es ist gar nicht lange her, dass chinesische oder iranische Künstlerinnen nach Europa flohen.
Dabei liegt das Hauptproblem wohl darin, dass sich die EU zwar äußerst detailliert für die Finanzen der Mitgliedsstaaten und die Zusammensetzung ihrer Regierungen interessiert, deren Umgang mit Grundrechten jedoch zur internen Angelegenheit herabgestuft hat.
So konnte passieren, dass — Selbstmord eines Preises — Kollegah und Farid Bang trotz ebenso empörender Texte in Deutschland einen Echo erhielten, während spanische Gerichte Valtònyc, aber auch Rapperkollegen Pablo Hasél (dem neben seinen Texten mehrere Tweets zum Verhängnis wurden) zu Haftstrafen verdonnerten.
Um die Polizei zu irritieren, die im Vorfeld eindringlich vor einem Fluchtversuch gewarnt hatte, kauften Valtonyc-Fans im Laufe der letzten Wochen massenhaft Flugtickets auf dessen bürgerlichen Namen — unbestätigten Berichten zufolge soll sich der Rapper dann aber auf dem Seeweg ins Ausland abgesetzt haben. Dass er es der spanischen Justiz nicht leicht machen, ja dass er sie blamieren würde, hatte er bereits angekündigt.
Im Lichte dieser Entwicklungen erhalten die verpönten Binnengrenzen — die einen Rechtsrahmen definieren, aber nicht notwendigerweise Menschen aufhalten — eine fast vergessene Bedeutung zurück. Sie bieten Sicherheit, zum Beispiel vor überzogener, politisch motivierter Verfolgung. Und paradoxerweise ist es die EU, die uns mit ihrer Unfähigkeit, als Garantin fundamentaler Rechte zu agieren, dafür die Augen öffnet, dass Grenzen noch ihre Berechtigung haben. Eine Vertiefung der Union um jeden Preis könnte bei ihrer derzeitigen Architektur Gefahren bergen: Gäbe es etwa eine noch engere Zusammenarbeit im Justizbereich — eine Art europaweiten Haftbefehl ohne Abgleich der unterschiedlichen Rechtsauffassungen — würde das der Wertegemeinschaft wohl eher schaden, als nützen.
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