Der Landtag hat gestern den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) delegitimiert, indem er für die Anträge von Union und Lega einerseits sowie PDL andererseits gestimmt hat, welche die Anbringung von Kreuzen in allen öffentlichen Gebäuden vorsehen. Kürzlich hatte der EGMR einer italienischen Atheistin Recht gegeben, die gegen die Anwesenheit des christlichen Symbols in der Schulklasse ihres Kindes einen Musterprozess angestrengt hatte. Dies widerspreche der Laizität des Staates und dem Prinzip der Religionsfreiheit. Dennoch empfahl der EGMR nicht, grundsätzlich auf die Anbringung von religiösen Symbolen zu verzichten, sondern im Einzelfall Rücksicht auf Nicht- und Andersgläubige zu nehmen. Mit den verabschiedeten Anträgen weist der Landtag diese Forderung zurück.
Da die Urteile des EGMR rechtlich de facto nicht bindend sind, erwächst seine Autorität aus der Bereitschaft der jeweiligen Institutionen, seine Erkenntnisse umzusetzen. In diesem Sinne sind die beiden Landtagsbeschlüsse als klare Abfuhr für die hohe Instanz zu deuten. Besonders kurios ist in diesem Zusammenhang, dass die Landesregierung erst vor wenigen Tagen angekündigt hatte, die Wiedereinführung faschistischer Gesetze in Italien vor dem EGMR anzufechten — einem Gerichtshof, dem der Landtag jetzt die Legitimität abspricht.
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