Gastbeitrag von Adelheid Mayr, Südtirol/Schweiz
Das Schweizer Stimmvolk hat sich am 4. März 2018 mit klarer Mehrheit gegen die Abschaffung von Rundfunkgebühren ausgesprochen. Im restlichen Europa, wo man von direkter Demokratie noch träumt, mag ein solcher Volksentscheid bei dem ein oder anderen Kopfschütteln auslösen, wie im Jahr 2012, wo die Schweizer, ebenfalls mit klarer Mehrheit, gegen mehr Urlaub stimmten.
Wie kommt ein Volk dazu, sich klar für die Beibehaltung von Gebühren oder weniger Urlaub auszusprechen? Meiner Meinung nach ist das gute Schweizer Informationssystem rund um die Abstimmungen dafür verantwortlich. Die Politiker in der Schweiz schaffen es, das eigene Volk umfassend und auch transparent über die Folgen einer eventuellen Abstimmung zu informieren und Für- und Gegenargumente klar darzulegen. Dadurch ist das Volk nicht nur auf die oft einseitige und polemische und manchmal auch von Interessensgruppen gesteuerte Berichterstattung der Medien angewiesen. Das Beispiel Brexit in Großbritannien und die dadurch ausgelösten Unsicherheiten und Diskussionen eines zweiten Referendums zeigen auf, dass es im restlichen Europa noch viel Nachholungsbedarf in der Information der Bürger gibt. Eine einfache, klare, ehrliche und transparente Beschreibung der Sachverhalte sowie Konsequenzen von Seiten der Politik oder noch besser eines Unabhängigen Gremiums, sind meiner Meinung nach unerlässlich, wenn man das Volk abstimmen lassen möchte.
In diesem konkreten Fall der Rundfunkgebühren wurde aufgezeigt, dass mit einer Abschaffung potenziell private Anbieter weniger behindert würden und dadurch ein fairerer Wettbewerb stattfände. Hingegen führe eine Abschaffung aber auch dazu, dass ein vielfältiges Medienangebot in den vier Schweizer Landessprachen mit den heute subventionierten lokalen und regionalen TV- und Radiosendern nicht mehr in diesem Umfang möglich wäre. Dadurch würden die landesweit ca. 6800 Arbeitsplätze in diesem Bereich gefährdet. Zudem würden viele Sendungen verschwinden oder wären nicht mehr in der heutigen Qualität produzierbar, da sie „nicht rentieren“, obwohl sie politisch und gesellschaftlich relevante Themen behandeln. Auch Schweizer Musik und Filme wären von den mangelnden Förderungen betroffen. Die Werbung würde in allen Radio- und TV-Medien stark zunehmen.
Interessant ist auch, dass dem Stimmvolk im Rahmen der Abstimmung zugesichert wurde, Reformen im öffentlichen Rundfunkbereich durchzuführen, um die Gebühren zukünftig senken zu können. Ohne eine Abstimmung wäre es zu so einer „Idee“ sicherlich nicht so schnell gekommen.
Information der Schweizer Bürger zum Referendum am 4. März kann hier nachgelesen werden (Rundfunkgebühren ab Seite 14): https://www.admin.ch/dam/gov/de/Dokumentation/Abstimmungen/Marzo2018/Volksabstimmung_04_03_2018_DE_web.pdf.download.pdf/Volksabstimmung_04_03_2018_DE_web.pdf
Ich hoffe sehr, dass das Vorbild der Schweiz zur Information der Bürger auch in den restlichen Ländern Europas Anklang findet. Vor allem auch in Italien wo bei Referenden mit Gesetzestexten um sich geschmissen wird, die kein Bürger ohne ein Jura-Studium verstehen kann; z.B. Referendum zur Beendung der Erdölbohrungen in Süditalien, wo die Mehrheit gar nicht zustande kam, wohl auch weil die Bürger nicht einmal wussten, um was es eigentlich geht.
Abstimmungstext Referendum Italien am 17. April 2016:
Volete voi che sia abrogato l’art. 6, comma 17, terzo periodo, del decreto legislativo 3 aprile 2006, n. 152, “Norme in materia ambientale”, come sostituito dal comma 239 dell’art. 1 della legge 28 dicembre 2015, n. 208, “Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge di stabilità 2016)”, limitatamente alle seguenti parole: “per la durata di vita utile del giacimento, nel rispetto degli standard di sicurezza e di salvaguardia ambientale”?
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