Am vergangenen Donnerstag hatte der neugewählte Präsident des katalanischen Parlaments, Roger Torrent (ERC), für Dienstag den 30. Jänner um 15.00 Uhr eine Plenarsitzung anberaumt, in deren Rahmen der Präsident der Generalitat hätte gewählt werden sollen. Einziger Kandidat — die Ernennung obliegt den Fraktionen — war der im Herbst von Madrid abgesetzte Carles Puigdemont.
Das Madrider Kabinett, das Puigdemont (wohl in der Hoffnung, er würde nicht wiedergewählt) nach der Auflösung seiner Regierung ausdrücklich aufgefordert hatte, bei der Regionalwahl vom 21. Dezember anzutreten, beschloss am Freitag, seine mögliche Ernennung präventiv vor dem Verfassungsgericht (VfG) anzufechten. Der Staatsrat, der ein zwingendes — jedoch nicht bindendes — Rechtsgutachten abgeben muss, entschied einstimmig, dass es für die Anfechtung keine juristische Grundlage gibt. Doch davon ließ sich Rajoy nicht beeindrucken und schritt dennoch zum VfG.
Dieses gilt als parteiisch und fällte gestern einen absolut erstaunlichen Entscheid: Obschon sie die Forderung der spanischen Regierung nach Aufhebung der Plenarsitzung abwiesen, machten die Richterinnen dem derzeit in Brüssel lebenden Puigdemont — ad personam — Vorschriften, die eine Wahl ohne seine physische Anwesenheit ausschließen.
Beim Betreten spanischen Bodens droht Puigdemont jedoch die sofortige Verhaftung. Madrid hat deswegen gar die Grenzkontrollen verschärfen lassen — seine Ergreifung vor der etwaigen Angelobung wurde nämlich als vorrangig eingestuft, obschon umstritten ist, inwieweit ihn die Immunität des Präsidentenamts vor dem Zugriff der Gerichte schützen würde.
Joaquín Urias, Professor für Verfassungsrecht und ehemaliger Jurist am VfG, wies nun öffentlich darauf hin, dass die Verfassungsrichterinnen weder im allgemeinen noch im speziellen das Recht gehabt hätten, eine derartige Entscheidung zu fällen und kritisierte dies als Schaden für den Rechtsstaat. Im allgemeinen sei der Erlass solcher Vorschriften nicht die Aufgabe des VfGs und im konkreten Fall erst gar nicht, weil die gestrige Sitzung nur dazu hätte dienen sollen und dürfen, über die Zulässigkeit des Rekurses zu befinden.
Den Charakter des VfG als »Richter der Gesetze« hatte die PP schon 2015 pervertiert, indem sie ihm per Ad-hoc-Reform direkte Maßnahmen zulasten von Einzelpersonen gestattete.
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