Die Südseeinsel Neukaledonien, Teil Frankreichs und der EU, wird 2018 über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Das knapp 270.000 Einwohner zählende Gebiet nordöstlich von Australien ist eine autonome Region Frankreichs (collectivité sui generis), die auch im Parlament in Paris und im Europaparlament vertreten ist. Das Land heißt so, weil es den Entdecker J. Cook an Schottland erinnerte.
In den 1980er Jahren hatte das indigene Volk Neukaledoniens, die Kanaken, unter dem legendären Jean-Marie Tjibaou für die Unabhängigkeit gekämpft. Seit 1986 befindet sich das Gebiet auf der Dekolonisierungsliste der Vereinten Nationen. Nach Todesopfern kam es 1998 zum Abkommen von Nouméa zwischen Paris und der kanakischen Unabhängigkeitsfront FKNLS. Dieses Abkommen sicherte der Insel eine weitreichende Autonomie zu und verpflichtete Frankreich, binnen 2018 eine Volksabstimmung zur Selbstbestimmung abzuhalten. Bei einer Ablehnung der Unabhängigkeit müssen weitere zwei Volksabstimmungen abgehalten werden.
Neukaledonien ist politisch deutlich geteilt. Im 54 Sitze umfassenden Regionalparlament sitzen heute 25 Abgeordnete der Unabhängigkeitsfront, während 29 Abgeordnete die Sezession ablehnen. Der derzeitige Präsident Philippe Germain lehnt die Unabhängigkeit ab, sein Vize ist ein Sezessionsbefürworter. Während die melanesischen Ureinwohner, die Kanaken (40,3% der Bevölkerung), in großer Mehrheit auf einen eigenen Staat Kanaky setzen, plädieren die allermeisten Nachfahren der europäischen Einwanderer (Caldoches) und andere Europäer (29,2% der Bevölkerung) für den Verbleib bei Frankreich. Eine dritte ethnisch bunt gemischte Gruppe, vor allem Polynesier und Asiaten, sind mehrheitlich für Frankreich. Die Kanaken beklagen immer noch eine systemische Diskriminierung und Ungleichheit in der neukaledonischen Gesellschaft.
Frankreich hat diese Insel, zweieinhalb Mal so groß wie Südtirol, vor 160 Jahren in Besitz genommen und möchte sie behalten, sowohl aus strategischen Gründen, aber auch weil die Nickelreserven (immerhin 25% der Weltreserven) von Interesse sind. Paris wird den Wahlberechtigten den Verbleib bei Frankreich durch spezielle wirtschaftliche und finanzielle Förderungen schmackhaft machen, was auch bei anderen französischen Überseegebieten „gezogen“ hat, wie z.B. auf Mayotte und La Réunion im Indischen Ozean. Auch die Bevölkerungsentwicklung spielt Frankreich in die Hände, denn die indigenen Kanaken stellen nur mehr knapp 40% der Einwohner.
So ist bei der bevorstehenden Volksabstimmung im Herbst die Frage von Bedeutung, wer überhaupt wahlberechtigt sein wird. Zunächst wurde per Gesetz festgelegt, dass nur Einwohner Neukaledoniens, die schon vor 1998 ansässig waren, wahlberechtigt sein sollen. Dies provozierte den Vorwurf, dass dadurch nach 1998 geborene Nicht-Kanaken diskriminiert würden. Nun hat man sich darauf geeinigt, dass nur jene Bewohner an der Volksabstimmung teilnehmen dürfen, die entweder schon an der Abstimmung über das Nouméa-Abkommen teilgenommen haben oder deren Eltern schon 1998 wahlberechtigt waren.
Sehr wenige Caldoches bzw. Frankreich-stämmige Einwanderer sind für die Unabhängigkeit, nur wenige Kanaken möchten bei Frankreich bleiben. Den Ausschlag wird somit die dritte Gruppe geben, und das Rennen ist ziemlich offen. Wirtschaftliche Gründe, außenpolitische Sicherheit und andere Vorteile der Mitgliedschaft in der „Grande Nation“ könnten entscheidend sein, wie schon in Schottland 2014 zu beobachten.
Scrì na resposta