Zur Stunde finden in Katalonien vorgezogene Neuwahlen statt, einberufen von der spanischen Zentralregierung, nachdem sie Ende Oktober die Region unter Zwangsverwaltung gestellt und das Parlament aufgelöst hatte.
Das Referendum vom 1. Oktober war — zum Beispiel auch von der die Selbstbestimmung grundsätzlich befürwortenden Podemos — nicht erst nach dem gewaltsamen Einschreiten der spanischen Polizei, sondern auch schon im Vorfeld wegen mangelnder »demokratischer Garantien« kritisiert worden. Schauen wir also, wie es um die »demokratischen Garantien« der heutigen amtlichen Wahl steht:
- Zunächst wurde das katalanische Parlament nach Ansicht mehrerer spanischer Verfassungsrechtlerinnen illegal aufgelöst, da die Zwangsverwaltung durch Madrid diesen Schritt gar nicht decke.
- Zwischen Ankündigung (am 27. Oktober) und Wahltermin lagen weniger als zwei Monate. Kurze Fristen sind in Spanien und auch in Katalonien zwar nicht ganz ungewöhnlich, doch die letzte Parlamentswahl vom September 2015 wurde bereits im Jänner angesetzt. Die Wahlkampfzeit war diesmal also eingeschränkt.
- Die von mehreren Seiten geforderte Anwesenheit internationaler Beobachterinnen wurde von der spanischen Regierung abgelehnt, obschon sie in dem angespannten Klima hätte für Vertrauen sorgen können.
- Dass die Wahl an einem Werktag angesetzt ist, ist für Spanien und Katalonien absolut ungewöhnlich. Es gab und gibt juristische Unsicherheiten — etwa bezüglich des Rechts der Angestellten, den Arbeitsplatz zu verlassen, um wählen zu gehen. Auch ob der Unterricht in Schulen, die als Wahllokal dienen, aufrecht bleiben soll — und wenn ja, wie — war zunächst unklar.
- Die staatliche Junta Electoral (Wahlkommission) in der Regionalparteien nicht vertreten sind, hat völlig abstruse Wahlkampfvorschriften erlassen und etwa den Gemeinden den Gebrauch der gelben Farbe untersagt, die sich binnen kurzer Zeit als Symbol gegen politische Inhaftierungen etabliert hatte. Das ging so weit, dass nicht nur Barcelona die gelbe Beleuchtung von Gebäuden und Springbrunnen einstellen musste, sondern auch, dass der PP gegen eine Gemeinde Anzeige erstattet hat, in deren alljährlichem Weihnachtsvideo die gelbe Farbe vorkommt. Internationale Medien berichteten teils konsterniert über das Verbot einer Farbe.
- Schwerer als alles bisher Genannte dürfte jedoch wiegen, dass die Spitzenkandidaten zweier aussichtsreicher Listen (ERC und Junts per Catalunya) im Gefängnis respektive im Ausland festsitzen. Dasselbe gilt für mehrere wichtige Kandidatinnen der sezessionistischen Parteien. Vizepräsident Oriol Junqueras wurde im Gefängnis gar mit fünf Tagen Isolierung dafür bestraft, dass er einen Anruf aus der Haftanstalt als Wahlwerbung hatte aufzeichnen und in Umlauf bringen lassen.
- Zahlreiche im Ausland lebende Katalaninnen beklagen, dass sie noch immer keine Wahlunterlagen erhalten haben. Das gilt unter anderem für Mexiko, Saudi Arabien und Italien.
- Außerdem wird davon berichtet, dass einige Menschen, die das Referendum vom 1. Oktober miterlebt haben, unter Panikattacken leiden, wenn sie sich vorstellen, nach so kurzer Zeit wieder Wahllokale aufsuchen zu müssen — die sich größtenteils am selben Ort befinden, wie damals.
- Nicht zuletzt wird kritisiert, dass Premier Mariano Rajoy gestern (am wahlkampffreien Vorwahltag) in einer offiziellen Rede mit der Fortführung der Zwangsverwaltung gedroht hat, falls sich die sezessionistischen Kräfte durchsetzen. Ebenfalls gestern hat die spanische Regierung eine äußerst düstere Wirtschaftsprognose für Katalonien herausgegeben — ähnlich düster übrigens wie bereits vor einem Jahr, als es dann jedoch real zu einem Rekordwachstum kam.
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