Mit seiner Rede vor dem katalanischen Parlament hat Präsident Carles Puigdemont am Dienstag die Wirkung seiner Unabhängigkeitserklärung vorübergehend ausgesetzt, um mit Madrid zu verhandeln.
Indem er bis zuletzt offen gelassen hatte, ob er die Republik ausrufen würde, lockte er zahlreiche internationale Akteurinnen (einschließlich EU) aus der Reserve — die eindringlich für Dialog und Verhandlungen plädierten.
Durch die Aussetzung der Unabhängigkeit hat Puigdemont diese Aufrufe der Weltgemeinschaft dann öffentlichkeitswirksam auf Madrid umgeleitet, in dessen Verantwortung es einmal mehr stand, auf ein Dialogangebot aus Barcelona einzugehen. Oder eben stur auf dem bisherigen Kurs des Politikverzichts zu beharren und die juridische Keule zu schwingen.
Für letzteres scheint sich Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) entschieden zu haben, da er die katalanische Regierung gestern aufgefordert hat, binnen fünf Tagen zu klären, ob das Land die Unabhängigkeit ausgerufen hat. Beobachterinnen im In- und Ausland werten diesen Schritt fast ausnahmslos als Auslösung der Prozedur laut Artikel 155 der spanischen Verfassung, der nach Anhörung der betroffenen Regionalregierung die Aussetzung einer Autonomie gestattet.
Wenn dies tatsächlich die Absicht der Zentralregierung sein sollte, könnte es der letzte Beweis sein, dass Madrid an keiner Verhandlung interessiert ist — und paradoxerweise den Weg in die katalanische Eigenstaatlichkeit ebnen.
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