Nach langem Schweigen melden sich endlich die Südtiroler Grünen zu Wort und werfen der EU-Kommission bezüglich Katalonien langes Schweigen vor. Sie finden deutliche Worte, um das harte Vorgehen des spanischen Zentralstaats zu kritisieren, fordern die EU auf, einzugreifen und — den Katalaninnen zu erklären, dass Eigenstaatlichkeit unrealistisch ist.
Die Grünen Südtirols stehen den Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien zwar mit Verständnis, aber insgesamt skeptisch gegenüber: Das Ziel einer Selbstbestimmung erscheint aus der Geschichte und Gegenwart von Katalonien heraus begreiflich. Es wäre aber auch ein „Sprung ins Dunkle“, der zwar die Eigenstaatlichkeit von Catalunya im Blick hätte, aber bei näherer Analyse von schweren Hypotheken belastet und von ungewissem Ausgang wäre.
Der spanische Ministerpräsident Rajoy hat mit seinem harten und unnachgiebigen Vorgehen jedoch alles nur Denkbare unternommen, um die Position der Unabhängigkeitsbefürworter zu stärken. ER trägt aus drei Gründen große Verantwortung an der Eskalation des Konflikts, der sich vor dem Referendum am 1. Oktober abzeichnet. Denn Mariano Rajoy
- weigert sich, über den für die Katalanen ungerechten Finanzausgleich zwischen den Regionen zu verhandeln;
- kriminalisiert die beeindruckende und wachsende Zahl der Katalanen, die das Recht auf ein demokratisches Votum über die Zukunft ihrer Heimatregion einfordern;
- verstärkt den Zulauf zur Unabhängigkeit durch massive und bedrohliche Polizeipräsenz, rechtlich problematische Einsätze und stete Durchgriffe.
Angesichts dieser bedrohlichen Frontstellung, die am Sonntag auf einen Konflikt und womöglich auf Gewalttätigkeit zuläuft, ist das Schweigen des EU-Parlaments und der Kommission in Brüssel vollkommen unverständlich. Zwar sind Initiativen wie jene von 48 EU-Abgeordneten aus sechs Fraktionen, die sich in einem Schreiben an Rajoy für Verhandlungen ausgesprochen haben, erfreulich, blieben aber letztlich Einzelaktionen.
Die EU muss sich endlich dafür engagieren, den Konflikt abzuschwächen. Sie sollte die spanische Regierung davon überzeugen, den Katalanen entgegen zu kommen und ihr empörend präpotentes Vorgehen zu ändern.Umgekehrt sollte Brüssel der katalanischen Führung vermitteln, dass eine Trennung von Spanien aktuell nicht durchsetzbar ist. Falls sich die EU nicht wirkungsvoll einschaltet, verzichtet sie auf ihre notwendige Vermittlerrolle und untergräbt die eigene Legitimation: Wie sollte sie als Friedensmacht glaubwürdig sein, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, zwischen ihren eigenen Bürgern, zwischen Regionen und Zentralstaaten zu vermitteln? Auch der kommende EU-Gipfel in Tallinn muss hier ein klares Zeichen setzen – aber dann wäre es vielleicht schon zu spät.
Bozen, 27.09.2017
Hans Heiss
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
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