Durch die demokratische Konsequenz, mit der die Katalaninnen derzeit versuchen, ihren Wunsch nach Selbstbestimmung umzusetzen, haben sie schon etwas geschafft, was vielen historischen Bürgerrechtsbewegungen gemein ist: Sie haben ein wichtiges Thema auf die internationale Agenda gehoben, das durch ständige Unterordnung und bedingungslose Gesetzestreue niemals dorthin gelangt wäre.
Bruch mit dem Nationalstaat? Unmöglich, unrealistisch, heißt es dazu in Südtirol. Doch solange man sich damit begnügt (wie es Silvius Magnago nannte:) Blumen am Wegesrand zu pflücken, wird man den vorgegebenen Weg nie verlassen. Damit können wir uns nur den — nahezu unsichtbaren — Käfig vergolden.
Der Brief aus Dänemark, der keinen diplomatischen Gepflogenheiten mehr folgt, markiert den Beginn einer echten Einmischung, die nur dadurch zustandekommen konnte, dass Europa- als Innenpolitik verstanden wird.
Aber auch medial zeigt sich endlich, dass der politische Druck aus Katalonien nicht nur den Umbau des spanischen Königreichs, sondern eine Befassung mit dem Europa der Nationalstaaten zur Folge haben könnte, wenn wir uns nicht einschüchtern lassen.
So schreibt etwa Chefredakteur Reinhard Göweil in einem Leitartikel für die Wiener Zeitung, dass wir jetzt endlich genauer auf die Verfasstheit der EU hinschauen sollten. Denn die sei fest in den Händen der Nationalstaaten.
[Die Separationsbewegungen in Schottland und Katalonien haben] eine Gemeinsamkeit: Sie wollen jeweils in der EU verbleiben, was den Begriff Separatismus deutlich relativiert.
— Reinhard Göweil
Niemand bremse die Entwicklung der EU so ein, wie die Nationalstaaten, zum Beispiel bei der Schaffung einer europäischen Staatsbürgerinnenschaft.
Die Überwindung der Nationalstaaten, die meist viel jünger sind als die meisten Regionen, die nun nach Selbständigkeit schreien, würde Europa stärken, nach innen und nach außen.
— Reinhard Göweil
Bei alledem könnte Südtirol freilich eine Vorreiterrolle einnehmen. Doch wie der Landeshauptmann neulich, zu Katalonien befragt, im Mittagsmagazin von Rai Südtirol sinngemäß sagte: Uns gehts ja gut, wir pflücken lieber Blumen.
Während andere die neuen Wege bauen.
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