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Die schwule Selbstbestimmung.

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Auf TAZ-Online ist heute ein sehr interessantes Interview von Artur Oberhofer mit Hans Heiss zum Thema Selbstbestimmung erschienen. Überraschenderweise zeichnet sich dieses Interview im Gegensatz zu vielen anderen zu diesem Thema in Südtirol publizierten Texten durch eine doch recht differenzierte Fragestellung aus. Auch Heiss’ Antworten sind – obwohl ich vielfach nicht seiner Meinung bin – streckenweise sauber argumentiert. Zumindest versteigt er sich aufgrund des klassischen Südtiroler Weltoffenenantiselbstbestimmungsbeißreflexes nicht in irgendwelche krassen Widersprüche, wie das in der Vergangenheit hin und wieder der Fall war.

Dennoch möchte ich eine Aussage herausgreifen, die besagten Beißreflex latent in sich trägt und seine Absurdität aufzeigt.

Der Wille zur Selbstbestimmung ist bei einer Minderheit der Südtiroler zwar intensiv spürbar. Ich sehe ihn aber nicht vorherrschend in der deutschen und ladinischen Sprachgruppe und ganz entschieden nicht bei Italienern: Genau dieser gemeinsame Wille aller Sprachgruppen aber wäre die erste Voraussetzung.

Heiss gibt offen zu, dass er nicht politische Avantgarde sein möchte. Selbst wenn man ein Prinzip, ein Ziel für gut und erstrebenswert erachtet (wie das ein großer Teil der Grünen in Bezug auf Selbstbestimmung weltweit tut), kann man dessen Umsetzung bzw. Erreichung erst verfolgen, wenn es mehrheitsfähig ist. Das hieße in weiterer Folge, dass – angesichts der grünen Wahlergebnisse – ein Großteil der grünen Forderungen nicht angegangen werden dürfen, da die Voraussetzung eines “gemeinsamen Willens” der Menschen in Südtirol diesbezüglich nicht gegeben scheint.

Ohne die genauen Zahlen zu kennen, bin ich mir beispielsweise sicher, dass in den 1990er-Jahren der Wunsch nach Einführung der Homo-Ehe zwar bei einer Minderheit der Südtiroler intensiv spürbar, er jedoch nicht vorherrschend bei den heterosexuellen Menschen war. Folglich hätte eine Unterstützung der Forderung nach “Ehe für alle” nicht die Heiss’schen Voraussetzungen erfüllt und die Grünen hätten sich bislang nicht dafür einsetzen dürfen. Glaubt Heiss tatsächlich, dass sich das derzeitige europaweite Umdenken bezüglich gleichgeschlechtlicher Partnerschaften spontan ergeben hat?



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Comentârs

5 responses to “Die schwule Selbstbestimmung.”

  1. hunter avatar
    hunter

    weitere Beispiele:
    die Kruzufix-Diskussion rund um Brigitte Foppa (nicht mehrheitsfähig)
    die grünen Standpunkte in der Integrationsdebatte im Landtag (nicht mehrheitsfähig)

    Ich seh hier nicht wirklich einen Unterschied zur Forderung nach einem basisdemokratischen Prozess und einer demokratischen Abstimmung über den zukünftigen institutionellen Rahmen unseres Landes.

  2. Ainer von Fielen avatar
    Ainer von Fielen

    Hier gebe es noch einige Punkte hinzuzufügen wie z.B. die Forderung das Recht auf Bewirtschaftung eines Gartens als Menschenrecht zu verankern.

    Würde man alles darauf beschränken, dass es mehrheitsfähigkeit und realistisch ist, so würden den Grünen wohl die Themen ausgehen.

    Schöner finde ich die Ironie, wie sich die Grünen als moderne, offene, innovative, ideenfreundliche, entwicklungsfreudige Partei bzw. Gesellschaft gern präsentieren, aber gleichzeitig am Status Quo dermaßen festhalten und diesen verteidigen, wie man es ansonsten nur von rechten konservativen Kreisen kennt.

    Ich weiß Hans Heiss würde jetzt sagen, dass man Südtirol nicht mit Deutschland bzw. Österreich vergleichen kann und darin der Unterschied liegt, aber wäre nicht genau dies ein Argument für alternative Entwicklungskonzepte abseits der Autonomie und der nationalistischen Inklusion?

  3. pérvasion avatar

    Mich erstaunt wirklich, mit welcher Vehemenz Riccardo Dello Sbarba von den Grünen (auch medial) gegen die Selbstbestimmung — und nicht »nur« gegen die Unabhängigkeit — eintritt. Da kann ihm niemand von den italienischen Rechten das Wasser reichen.

    Keinen aktiven Einsatz für die Selbstbestimmung könnte ich ja noch verstehen… aber dieser hartnäckige Kampf ist für mich absurd.

    1. TirolaBua avatar
      TirolaBua

      Aus grüner Sicht kostet er ihnen vielleicht zigtausend Stimmen.

      1. pérvasion avatar

        Millionen!

Scrì na resposta

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