Ich habe sowohl nördlich als auch südlich des Brenners als Journalist bei Zeitungen gearbeitet. Dabei ist mir der in erster Linie der unterschiedliche Umgang mit Persönlichkeitsrechten aufgefallen. Im Gegensatz zu Nordtirol stehen in Südtirol Unfallopfer, Verbrechensopfer, Tatverdächtige und mitunter sogar Zeugen mit vollem Namen in der Zeitung. Eine zutiefst unwürdige Praxis, die ich schon mehrfach 01
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angeprangert habe. Ein weiteres Kapitel für sich ist die Abwicklung der so genannten “schwarzen Chronik” (Unfälle, Kriminalität und dergleichen).
In Nordtirol funktioniert das so: Es gibt eine zentrale, bei der Landespolizeidirektion angesiedelte Pressestelle. Dort werden sämtliche Ereignisse, bei denen Einsatzkräfte (Bergrettung, Feuerwehr, Polizei, Rotes Kreuz usw.) involviert waren, gesammelt und entsprechende Mitteilungen mehrmals täglich an die Medien versandt. Es gibt einen Leiter und fünf Pressesprecher. (Ein Amt, dessen Wichtigkeit jedem spätestens seit dem souveränen Auftritt von Marcus da Gloria Martins im Zuge des Amoklaufes in München bewusst sein dürfte.) Die Meldungen sind natürlich auch auf der Webseite der LPD abrufbar.
Verkehrsunfall mit Verletzten auf der B 179 in Nassereith
Ein 63-jähriger deutscher StA kam am 17.09.2016 gegen 08:25 Uhr mit seinem PKW auf der regennassen Fahrbahn der B 179 in Nassereith ins Schleudern und geriet über den talseitigen Fahrbahnrand hinaus. Das Fahrzeug stürzte – sich einmal überschlagend – über die Straßenböschung und kam ca fünf Meter tiefer auf der dortigen Gemeindestraße auf den Rädern zum Stillstand. Der Lenker und drei weitere Fahrzeuginsassen (alles deutsche StA – 79, 59 und 57 Jahre) wurden bei diesem Unfall unbestimmten Grades verletzt und in die Krankenhäuser nach Garmisch-Partenkirchen und Zams eingeliefert. Am Fahrzeug entstand schwerer Sachschaden.
Bearbeitende Dienststelle: PI Nassereith (BPK Imst)
TelNr: 059133 7103Presseaussendung
vom 17.09.2016, 14:56 UhrReaktionen bitte an Die Redaktion
Diese Praxis hat zur Folge, dass sich die Einsatzkräfte auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können und nicht dauernd von Journalisten behelligt werden, da in einem Großteil der Fälle die Pressemeldung ausreichend ist, um über ein Chronik-Ereignis wie einen gewöhnlichen Verkehrsunfall berichten zu können. Die LPD informiert somit auch alle Medien im Lande gleichberechtigt und es ist sichergestellt, dass ausschließlich offizielle polizeiliche Meldungen und nicht die bisweilen divergierenden, individuellen Darstellungen Einzelner an die Öffentlichkeit gelangen. Sollte es dennoch offene Fragen geben, steht meist auch die Kontaktnummer der bearbeitenden Dienststelle dabei.
Daneben gibt es eine auf Blaulichteinsätze diverser Einsatzorganisationen spezialisierte Bild- und Nachrichtenagentur, über die man Fotos von Unfällen, Bränden usw. beziehen kann. Die Journalisten können sich dadurch auf ihr Kerngeschäft, die Recherchearbeit, anstatt auf schiere Dokumentation tragischer Ereignisse fokusieren.
Wechsel nach Südtirol: Hier machen die Redaktionen – und zwar alle Redaktionen – mehrmals täglich einen Rundruf – bei Carabinieri, Staatspolizei, Stadtpolizei, Finanzern, Weißes Kreuz usw. “Hab ihr was für uns?”, “Ist etwas Besonderes passiert?” “Stimmt das, dass es eine Körperverletzung gegeben hat?” Der einmal mehr, einmal weniger auskunftsfreudige Beamte erzählt dem Journalisten – und zwar jedem Journalisten – dann die Geschichte. Wohl immer ein klein wenig anders. Mitunter müssen mehrere Dienststellen durchtelefoniert werden, um die ganzen Details zu erfahren. Es gibt nämlich eine große Konkurrenz zwischen den Einsatzkräften, die auch sehr darauf erpicht sind, vollzählig genannt zu werden. Alles in allem ein sagenhaft ineffizientes und unprofessionelles Prozedere, das auf beiden Seiten wichtige Ressourcen bindet, die viel sinnvoller eingesetzt werden könnten. Zuguterletzt müssen in vielen Redaktionen am Land die Journalisten im Falle eines Brandes oder Unfalls dann auch noch ins Auto springen, um ein Foto von der Szenerie zu ergattern.
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