In der Radiosendung “Im Journal zu Gast” auf Ö1 ließ Präsidentschaftskandidat Alexander van der Bellen mit bemerkenswerten, wenngleich nicht neuen, Aussagen aufhorchen.
Ö1: Herr van der Bellen, wir sprechen rund zwölf Stunden nach dem Putschversuch in der Türkei und keine 40 Stunden nach den Vorfällen in Nizza. Wie bewerten Sie denn beide Vorfälle? Vielleicht beginnen wir mit der Türkei.
VdB: […] Ich glaube, eine demokratisch gewählte Regierung kann nur über die Wahlurne sozusagen abgelöst werden und nicht durch militärische Gewalt.
Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die derzeitige türkische Regierung demokratisch zustande gekommen ist, hat Van der Bellen in der Sache natürlich absolut recht. Umso erstaunlicher, weil irgendwie gegensätzlich, seine folgenden Aussagen:
Ö1: Würden Sie Strache, Hofer, jemanden von der FPÖ derzeit angeloben?
VdB: Es geht hier nicht um Personen, sondern es geht darum, dass jede österreichische Bundesregierung sich doch bewusst sein muss, über die Rolle Österreichs in der Europäischen Union, über die Bedeutung eines vereinten Europas.
Ö1: Aber das kann man ja umlegen, nach der jüngsten ÖXIT-Debatte, auf Norbert Hofer. Ganz konkret gefragt: Erfüllt er diese Kriterien, die sie selbst genannt haben, oder nicht – beziehungsweise Strache?
VdB: Meiner Ansicht nach erfüllt kein Politiker, der mit dem Austritt aus der Union leichtfertig spielt, die Kriterien für einen Bundesminister, geschweige denn Bundeskanzler.
Ö1: Das heißt, das schließen sie aus, eine Angelobung.
VdB: Ja.
Das kann er doch nicht machen! Vor allem nicht mit der Begründung. Ich bin für die Europäische Union und halte sie für eine große Errungenschaft. Sie jedoch derart “absolut” zu setzen, als dass man wegen ihr eine parlamentarische Mehrheit übergehen muss, ist Schwachsinn und undemokratisch. Jemanden nicht angeloben, weil er/sie offen rassistisch ist. Ok. Jemanden nicht angeloben, weil er/sie die Menschenrechte nicht achtet. Ok. Jemanden nicht angeloben, weil er/sie sich nicht zu den demokratischen Grundprinzipien bekennt. Ok. Aber jemanden aufgrund seiner/ihrer Einstellung zur Mitgliedschaft in einem Staatenverbund nicht anzugeloben, ist hirnrissig. Ein Austritt wäre meiner Meinung nach zwar auch hirnrissig, ist aber eine völlig legitime demokratische Position, die gegen keine Grundrechte verstößt. Deswegen den Frieden im Land aufs Spiel zu setzen, ist fahrlässig. Abgesehen davon, dass die Nichtangelobung ja prophylaktisch und nicht anlassbezogen erfolgen würde. Umso erstaunlicher ist Van der Bellens Sakrosanktisierung der Europäischen Union, wenn man weiß, dass die Grünen 1994 im Vorfeld der EU-Volksabstimmung — teilweise mit guten (ökologischen, antikapitalistischen, solidarischen) Gründen — als vehemente Gegner eines Beitritts Österreichs aufgetreten sind und die FPÖ anfänglich sogar dafür war, ehe sie dann doch auf ein Nein umgeschwenkt hat.
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