Der österreichische VfGH hat heute die Stichwahl zwischen Norbert Hofer und Alexander van der Bellen
- Die beanstandeten Unregelmäßigkeiten und Schlampereien (ein expliziter Wahlbetrug oder eine fehlerhafte Auszählung konnte nicht festgestellt werden) hatten das Potential, den Ausgang der Bundespräsidentschaftswahlen zu beeinflussen, da zum Beispiel Ergebnisse vor Schließung der letzten Wahllokale weitergeleitet wurden. Dies entspricht nicht dem Grundsatz der “freien Wahl”, da Menschen durch dieses Wissen theoretisch in ihrer Wahlentscheidung beinflusst hätten werden können. Auch wurde durch frühzeitiges und unsachgemäßes Öffnen von Briefwahlstimmen (falscher Ort, keine Beisitzer anwesend usw.) der Grundsatz der “geheimen Wahl” verletzt. Manipulationen könnten somit nicht ausgeschlossen werden. Dies sind die Hauptgründe, warum die Wahl wiederholt werden muss.
- Zu wessen Gunsten bzw. Ungunsten etwaige Beeinflussungen oder Unregelmäßigkeiten gewirkt haben, lässt sich nicht feststellen.
- Dem Einwand der FPÖ, dass die Briefwahl in dieser Form grundsätzlich verfassungswidrig sei, pflichtete der VfGH nicht bei.
- Die Tatsache, dass die Wahl wiederholt werden muss, ist peinlich für die österreichische Demokratie. Laut Armin Wolf musste bislang weltweit nur 1990 auf den afrikanischen Komoren, 2004 in der Ukraine, 2005 in Abchasien und kommenden Oktober in Haiti in den letzten 30 Jahren eine Präsidentschaftswahl wiederholt werden.
- Gleichzeitig ist der Spruch der Verfassungsrichter zu begrüßen, denn er ist auch in seiner rigiden Auslegung und drastischen Konsequenz ein Beweis für das Funktionieren des österreichischen Rechtsstaates. Es sind zwar Fehler passiert, diese wurden jedoch demokratisch einwandfrei ausgeräumt. Etwaige Zweifel zur Legitimität des Wahlganges, die nach einem gegenteiligen Urteil bestimmt geblieben wären, hätten das Amt selbst und die Amtszeit van der Bellens massiv beschädigt.
- Der Spruch hat die FPÖ weitestgehend aus der Opferrolle herauskatapultiert. Zum einen betrifft das Fehlverhalten Personen aus dem Umkreis aller Parteien – also auch der FPÖ – und zum anderen musste auch H. C. Strache, der ansonsten sehr oft eine Verschwörung gegen seine Partei vermutet, eingestehen, dass der österreichische Rechtsstaat funktioniert.
- Die Wahlleiter – als Verantwortliche – tragen mehr Schuld an den Unregelmäßigkeiten als die Beisitzer, die “nur” Kontrollorgan sind. Die hohe Politik, die in den sozialen Medien bereits wieder “ihr Fett abbekommt”, hat mit den Schlampereien nichts zu tun. Das Schlamassel haben Österreich “Normalsterbliche” eingebrockt. Die Kosten, die für die Neuaustragung anfallen, muss einem die Demokratie allerdings Wert sein.
- Ungeachtet des Ausgangs des Verfahrens waren die vielfachen Anfeindungen gegenüber der FPÖ und ihre Lächerlichmachung wegen der Anfechtung Ausdruck eines eigenartigen Demokratieverständnisses. Die FPÖ hat einfach nur von ihrem demokratischen Recht Gebrauch gemacht, ein Rechtsmittel einzulegen. Das war völlig legitim und wie der heutige Richterspruch zeigt – zumindest was die Unregelmäßigkeiten betrifft – auch gut begründet.
- Zuguterletzt wage ich zu behaupten, dass derlei formale Fehler wahrscheinlich bei jeder Wahl in den vergangenen Jahren in Österreich und auch anderswo passiert sind. Nur war das Ergebnis nie so knapp, alsdass Anfechtungen in Erwägung gezogen wurden und werden. Das war meiner Auffassung nach wohl der einzige Unterschied zwischen dieser Wahl und allen anderen.
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