Ein kurzer Erlebnisaufsatz zum Open Space in Brixen.
Die Veranstaltung war mit weit über 200 Teilnehmern recht gut besucht. Wobei im Einzugsgebiet mehrere 10.000 Menschen leben. Also hat im Endeffekt dann doch nur eine verschwindende Minderheit den Weg zum Konvent gefunden. Aber die, die da waren, waren die richtigen (1. Prinzip des Open Space). Demnach ist es unnötig, lang und breit über die Anwesenheit bzw. Nicht-Anwesenheit bestimmter Personengruppen zu diskutieren. Wenngleich die nahezu völlige Abwesenheit von Bürgern italienischer Muttersprache schon ins Auge stach (kein einziger Themeneinbringer tat dies auf Italienisch) und auch die Frauen unterrepräsentiert waren. Von einer Invasion “rechter Recken” habe ich nichts bemerkt. Eine gewisse patriotische Gesinnung war zwar stark vertreten (warum auch nicht?), aber insgesamt waren wir doch ein heterogener Haufen und es gab bei allen Diskussionen, an denen ich teilgenommen habe, kontroverse Positionen. Die zahlreich anwesenden Mandatare hielten sich zurück und fungierten nur als Beobachter.
“Selber schuld!” rufe ich all jenen zu, die die Chance nicht genutzt haben, ihre Gedanken einzubringen und sich mit Menschen unterschiedlichster Einstellung auszutauschen. “Verharrt nur in euren Klischees und auf euren Sofas, das ist viel bequemer!”
Mein Résumé der Veranstaltung fällt nämlich zu einhundert Prozent positiv aus. Ganz egal, ob die Open-Space-Diskussionen konkrete Ergebnisse zur Folge haben werden oder nicht (schön wär’s natürlich); allein die Tatsache, dass ergebnisoffen und auf Augenhöhe politische Themen in einem institutionalisierten Rahmen diskutiert werden konnten, ist ein Meilenstein für die Demokratie in Südtirol. Sämtliche Diskussionen, die ich besucht habe – “Laizismus” – eingebracht von einem baskischen Atheisten(!), “Primäre Zuständigkeit bei Zuwanderung”, “Friedliches Zusammenleben”, “EUREGIO – Europaregion Tirol”, “Selbstbestimmung: Recht – Versicherung – Zukunft” und “Ortsnamenregelung als Grundlage eines kultivierten Miteinanders” – waren von einer überaus disziplinierten und respektvollen Diskussionskultur geprägt. Aufkeimende Widrigkeiten wurden rasch, gemeinschaftlich und in reifer Art und Weise aus der Welt geschafft. Lediglich bei den Protokollen gab es hin und wieder intensivere Widersprüche. Wobei die Aufgabe der Protokollanten eine sehr schwierige war und es bestimmt nicht leicht ist, alles so zu formulieren, dass sich ein jeder angemessen abgebildet fühlt.
Abgesehen von einigen sehr wenigen “Pöblern” wurde auf ausgesprochen hohem Niveau diskutiert. Selbst beim Thema Zuwanderung gab es keine einzige Wortmeldung, die sich außerhalb unseres demokratischen Grundkonsenses bewegte – sprich offen rassistisch oder diskriminierend war. Das Thema Selbstbestimmung wurde nicht ausschließlich “völkisch” argumentiert, sondern es war viel von einem “demokratischen Prinzip” die Rede.
Summa summarum: Die Organisation war reibungslos, die Diskussionen konstruktiv, die Stimmung positiv und der Blick nach vorne gerichtet. Man entwickelte eine regelrechte Begeisterung für das Format, konnte es kaum erwarten, wie die weiteren Diskussionen verlaufen würden und hatte gut sieben Stunden lang das Gefühl, dass Demokratie tatsächlich funktioniert. Was haben wir mit dieser delibertiven Demokratie doch für ein wunderbares Instrument, um unser Gemeinwesen zu erdenken. Derartige Foren sollten zur Dauereinrichtung werden.
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