Diese Woche wird der »Südtirol-Konvent« eingeläutet, um das Autonomiestatut binnen eines Jahres mit Bürgerbeteiligung zu überarbeiten. Abgesehen von allen Mängeln beim Design dieses Pseudo-Konvents bietet das Verfahren doch eine gute Gelegenheit, den heutigen Stand der Autonomie zu hinterfragen und mit institutioneller Schirmherrschaft Vorschläge zu ihrer Weiterentwicklung öffentlich zu diskutieren. Zudem bietet sich die Chance eines nicht parteiengefilterten Dialogs zwischen Bürgern verschiedener Sprachgruppen, die man nutzen sollte. Auch auf dem wird diese Debatte ein Echo finden. In diesem Sinn hier der erste von 9 Vorschlägen, wie die Autonomie mehr Substanz gewinnen könnte.
Der erste Vorschlag stellt gleich auf den Grundcharakter des Autonomiestatuts ab und der Rechte der Bürger, es abzuändern. Das Autonomiestatut ist nicht nur ein Grundgesetz zur Abgrenzung von Zuständigkeiten zwischen Land, Region und Staat. Es ist auch eine Art Landes- oder Regionalverfassung, die die Institutionen, Grundprinzipien und spezielle Bürgerrechte und –pflichten regelt. Es betrifft also uns, nicht das restliche Italien. Rechtlich muss sie im Einklang mit der Verfassung stehen, politisch benötigt sie die Legitimation durch die Bürger der Region. Um Verfassungsrang zu erhalten, muss ein solches Statut unvermeidlicherweise vom Parlament ratifiziert werden. Dies ist aber kein Grund, a priori den Bürgern und politischen Vertretern der betroffenen Region das Recht zu nehmen, ihr Statut eigenständig erstellen und abändern zu können. Dies ist vorauszuschicken.
Bisher sind die Statuten der autonomen Regionen nur auf Parlamentsinitiative abgeändert worden. Theoretisch kann auch die Region Trentino-Südtirol ein »3. Autonomiestatut« ausarbeiten und dem Parlament vorlegen, die Erfolgsaussichten wären aber äußerst gering. Als die Friulaner 2004 versuchten, sich mit partizipativer Regionalratsinitiative ein neues Statut zu geben, scheiterte alles am Parlament. Die Regionen mit Sonderstatut haben keine »Statutsautonomie«, und nichts verpflichtet den Staat, ein Statut gemäß dem demokratischen Willen der Bürger und der politischen Vertretung einer Region zu verabschieden. Beim heutigen Stand der Dinge haben Südtiroler Bürger und Landtag nicht nur kein Initiativrecht, sondern die Vorschläge der Bürger beim Südtirol-Konvent werden gleich vierfach gefiltert: 1. durch den Konvent, der mehrheitlich Ausdruck der Regierungsmehrheit sein wird; 2. durch den Landtag mit seiner Mehrheit; 3. durch den Regionalrat (gegen den Willen der Trentiner geht nichts durch); 4. durch die Verfassungskommission des Parlaments. Wieviel wird dann noch übrigbleiben?
Das ist das Gegenteil von Souveränität der Bürger einer Region oder eines Landes im Sinne von »Statutshoheit«. Fehlt den Bürgern diese Statutshoheit – im Unterschied zu den Regionen mit Normalstatut Italiens und zu den meisten autonomen Regionen Europas, die mit Bürgerbeteiligung ihre Statuten reformieren können – dann bleibt jede Reform dem engsten Kreis von Spezialisten und dem Gutdünken der Regierungsparteien anvertraut, mit weit weniger politischer Legitimation, mit sehr mangelhafter demokratischer Rückbindung.
Welche Reform? Das Autonomiestatut müsste deshalb auch das demokratische Verfahren zur Abänderung des Statuts neu regeln (heute Art.103 Ast. in Verbindung mit Art. 138 der Verfassung), um die Beteiligung aller politischen Kräfte im Land und der Bürgerschaft zu erlauben. Dabei könnte man eine Minimalversion und eine Optimalversion unterscheiden. Ein Mindestmaß demokratischer Mitbestimmung wäre ein Initiativrecht für eine Mindestanzahl von Südtiroler Wahlberechtigten in Form des Volksbegehrens und der Volksinitiative (»Statutsinitiative« statt Verfassungsinitiative). Der Landtag müsste eigenständig, also ohne Trient, eine Gesetzesinitiative ans Parlament richten können, andererseits auch ein wichtiges Abwehrrecht erhalten: einseitige Abänderungen des Statuts durch das Parlament sollten durch eine 2/3-Mehrheit des Landtags abgelehnt werden können. Zur Zeit gibt es nur die berühmte Schutzklausel gegen solche einseitigen Abänderungen, das entsprechende Einvernehmen gibt aber immer die Landesregierung, nicht der Landtag.
Die Optimalversion begreift die Südtiroler Bürger dagegen als eigentliches souveränes Subjekt der Landesautonomie und ihrem Grundgesetz, dem Statut. Sie müssten das Recht erhalten, einen Statutenkonvent, also eine »verfassunggebende Landesversammlung«, frei zu wählen. Zumindest müsste der Landtag ein »verfassunggebendes Mandat« erhalten können, wie es andere autonome Regionen Europas pflegen. Abänderungen oder Gesamtrevisionen des Landesstatuts, die von den politischen Organen ausgehen, müssen einem bestätigenden Referendum durch die Wählerschaft unterworfen werden können (wie in den Autonomen Gemeinschaften Spaniens), weil erst dadurch die unmittelbare politische Legitimation erfolgt. Natürlich braucht es für ein Autonomiestatut und dessen Abänderungen auch das Plazet des Parlaments, andernfalls könnte es nicht Teil der Verfassung werden. Das Parlament könnte hinsichtlich der Ratifizierung eines abgeänderten Statuts Auflagen machen und Änderungen verlangen, doch die eigentliche Initiative bliebe der betroffenen Region und ihren Bürgern vorbehalten. Dieses demokratischere Verfahren funktioniert natürlich besser, wenn die regionale Gemeinschaft eine politische Vertretung hat und nicht drei.
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