Vor rund zehn Tagen hatte ich auf Grundlage von Daten des katalanischen »Centre d’Estudis d’Opinió« (und deren Aufbereitung durch den Politologen Sergi Castañé) eine kurze Wahlanalyse des 27. September 2015 (27S) veröffentlicht — und zwar in Bezug auf die Selbsteinschätzung der WählerInnen und deren Entscheidung für oder wider eine sezessionistische Partei.
Fast genau zwei Monate sind vergangen, seit die KatalanInnen in plebiszitären Neuwahlen dazu aufgerufen waren, die beiden independentistischen Bewegungen Junts pel Sí (JxS) und Candidatura d’Unitat Popular (CUP) mit dem Mandat auszustatten, einen konstituierenden Prozess zur Loslösung von Spanien einzuleiten. Oder ihnen diesen Auftrag zu verweigern.
In einer zweiten und voraussichtlich letzten Etappe meiner Analyse (Quellen wie oben) möchte ich kurz auf den Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und Wahlverhalten eingehen, da die entsprechenden Daten meines Erachtens dazu beitragen können, das katalanische Phänomen etwas besser zu verstehen.
Betrachten wir zunächst die Daten über den Bildungsgrad der Wählerschaft aller ins katalanische Parlament gewählten Parteien, so zeigt sich, dass Wählerinnen und Wähler von CUP und JxS im Durchschnitt den höchsten Bildungsgrad aufweisen. Dies gilt besonders für die linksradikale und anarchistische CUP, deren WählerInnen zu 85% mindestens einen Sekundarabschluss haben. Zwischen denjenigen, die der Unabhängigkeitskoalition JxS und »Catalunya Sí Que Es Pot« (einem Bündnis aus Podem, Grünen und Linken, das sich am 27S zur Frage der Sezession nicht positioniert hat) ihre Stimme gegeben haben, bestehen in Hinblick auf den Bildungsgrad nur geringe Unterschiede.
Die Wählerschaft von Ciutadans (Cs), Sozialisten (PSC) und Mariano Rajoys Volkspartei (PP) setzt sich hingegen — in dieser Reihenfolge — zu einem deutlich höheren Anteil aus Menschen zusammen, die entweder gar keinen oder nur einen Primarschulabschluss vorweisen können. Diese drei Parteien haben sich zur Loslösung von Spanien ablehnend geäußert und den plebiszitären Charakter der Wahl in Abrede gestellt.
Anders als häufig vermutet (und gerade in Südtirol nicht selten insinuiert) wird, sind es nicht vor allem schlechter Gebildete, die im heutigen Europa unter gewissen Umständen die Gründung neuer Staaten befürworten. Im Gegenteil: Je höher der Bildungsgrad, desto größer ist in Katalonien auch die Zustimmung zur demokratischen und inklusivistischen Sezession.
Diese Erkenntnis bestätigt sich auf noch beeindruckendere Weise, wenn man die Wahl einer sezessionistischen Partei nach Bildungsgrad der Wählerinnen und Wähler betrachtet. Nur bei den Personen, die angeben, keinen Schulabschluss zu besitzen, erreichen die beiden Unabhängigkeitsparteien keine Mehrheit. Und je höher der Bildungsgrad, desto besser schneiden JxS und CUP ab; bei der Wählerschaft mit einem höheren (universitären) Abschluss erreichen sie zusammen über 75% der Stimmen.
Da ein höherer Bildungsgrad wie zu erwarten auch mit einem stärkeren Interesse für Politik und politische Information korreliert (wie dieselbe Studie nachweist), kann man desweiteren davon ausgehen, dass denjenigen, die für die Unabhängigkeit gestimmt haben, auch die damit verbundenen Risiken bekannt sind. Keine Zustimmung aus Ignoranz.
Scrì na resposta