Im katalanischen Parlament wurde am heutigen Vormittag die gemeinsame Resolution von Junts pel Sí (JxS) und CUP (mit 72 Ja, 63 Nein und 0 Enthaltungen) genehmigt, mit der die konkrete Umsetzung der Unabhängigkeitsbestrebungen angestoßen werden soll. Anders als die während der vergangenen Legislaturperioden verabschiedeten Resolutionen handelt es sich diesmal nicht um eine reine Absichtserklärung — der kommenden Regierung wird nämlich konkret aufgetragen, mit dem Staat auf Konfrontationskurs zu gehen, nur noch die katalanische Legalität anzuerkennen und speziell die Urteile des Verfassungsgerichts zu missachten.
Während der letzten Tage war in Südtirol die Nachricht verbreitet worden, dass das spanische Verfassungsgericht die Abstimmung über die Unabhängigkeitsresolution für legal erklärt habe und dies einen Kurswechsel in Hinblick auf die Loslösung Kataloniens erahnen lasse. Die Höchstrichterinnen hatten aber bislang gar nicht den Inhalt der Resolution bewertet, sondern lediglich eine gemeinsame Eingabe von Ciutadans und PP, mit der sie die Einberufung des neugewählten katalanischen Parlaments aufgrund eines »Formfehlers« verzögern wollten.
Da sie mit ihrer Forderung abgeblitzt sind, konnte heute zwar über die Resolution abgestimmt werden; mit deren Inhalt werden sich die Richter aber frühestens in einigen Tagen zu befassen haben, wenn sie — wie allseits erwartet wird — von der spanischen Regierung angefochten wird.
Dann wird sich allerdings auch zeigen, inwieweit die Forderung umgesetzt werden kann, eine allfällige Aufhebung und oder Illegalisierung der Resolution zu ignorieren. Man wird sich von der (spanischen) Legalität entfernen und die Effektivität erproben.
Erst kürzlich hatte die Madrider Regierung um Mariano Rajoy eine Verfassungsänderung durchgeboxt, mit der gewährleistet wird, dass Verfassungsgerichtsbeschlüsse, zum Beispiel die Amtsenthebung eines Regionalpräsidenten, unmittelbar exekutiert werden können.
Schwierigkeiten gibt es derzeit in Katalonien in Bezug auf die Regierungsbildung. Zwar hat die CUP angekündigt, eine Regierung von JxS aktiv unterstützen zu wollen, deren Kandidaten für den Regierungsvorsitz, den bisherigen Präsidenten Artur Mas, will man nun aber doch nicht mittragen. Da CDC und ERC (beide Bestandteil von JxS) jedoch auf Mas bestehen, wird sich erst zeigen müssen, ob mit der CUP eine Einigung gefunden werden kann.
Die heute verabschiedete Resolution, die den Startpunkt zur Konkretisierung des Unabhängigkeitsprozesses setzen soll, wurde im letzten Moment um eine Liste jener Gesetze und Maßnahmen ergänzt, die man ausdrücklich sofort gegen den Willen Madrids umsetzen will. Dazu gehören unter anderem:
- die Abfederung der »energetischen Armut« durch Maßnahmen zugunsten derer, die sich keinen Stromanschluss mehr leisten können;
- Erleichterungen bei der Wohnungsvergabe für Personen, die aufgrund der Bankenkrise ihr Heim verloren haben;
- allgemeiner Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem für alle in Katalonien lebenden Menschen, ungeachtet ihres rechtlichen Status;
- Aussetzung der zentralstaatlichen Schulreform;
- Aussetzung der zentralstaatlichen, restriktiven Reform des Gesetzes über die Schwangerschaftsabbrüche;
- Aufnahme von deutlich mehr Flüchtlingen, als Spanien gestatten würde, in direkter Abstimmung mit dem UNHCR.
Manche der hier aufgezählten Maßnahmen waren bereits vom katalanischen Parlament genehmigt, aber von der Zentralregierung vor dem Verfassungsgericht angefochten worden.
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