Im Zuge der Realisierung des Sprachbarometers wurde auch die »territoriale, ethnische und nationale Identität« der Südtirolerinnen erhoben. Konkret lautete die diesbezügliche Frage: »In Südtirol ist oft von territorialer und ethnischer Zugehörigkeit die Rede. Als was fühlen Sie sich?« Es gab elf Antwortmöglichkeiten, zudem die Kategorien »andere« und »interessiert mich nicht«.
Im Unterschied zum Sprachbarometer von 2004 waren im Jahr 2014 Mehrfachnennungen erlaubt, weshalb ein Vergleich der beiden Erhebungen nur sehr bedingt möglich und sinnvoll ist.
Es fällt jedenfalls auf, dass eine allgemeine territoriale Identifikation mit Südtirol nicht gegeben ist, wobei die Ergebnisse je nach Sprachgruppe der Befragten äußerst stark variieren.
Eine deutliche Mehrheit (59%) der Südtirolerinnen italienischer Muttersprache identifiziert sich ethnisch-national, nämlich als »Italienerin«. Dagegen ist die ethnisch-nationale Zuordnung der Südtirolerinnen deutscher Muttersprache verschwindend klein: Nur 4% definieren sich als »Deutsche« — obschon, wie bereits erwähnt, Mehrfachnennungen, also zum Beispiel die gleichzeitige Einordnung als »Südtirolerin« und als »Deutsche« möglich waren.
Bei den Ladinerinnen ist die ethnische Identifikation zwar (mit über 80%) am ausgeprägtesten, doch muss man sich hier vor Augen halten, dass in diesem Fall die ethnische bzw. sprachliche und die territoriale Ebene (Ladinien) koinzidieren.
Dass die Autonomie nur sehr bedingt imstande ist, eine sprachgruppenunabhängige territoriale Identifikation mit Südtirol zu generieren, zeigt folgende Grafik:
Nur die Mitglieder der deutschen Sprachgemeinschaft identifizieren sich großmehrheitlich mit unserem Land. Aufgrund der Möglichkeit von Mehrfachnennungen ist allerdings selbst hier Vorsicht geboten: Die Grafik zeigt das, was ich eine »optimistische« Annahme nennen würde, also die Summe der Zuordnungsmöglichkeiten »Südtirolerin«, »italienischsprachige Südtirolerin«, »ladinischsprachige Südtirolerin« und »Altoatesina«. Höchstens 84,6% der Deutschsprachigen, höchstens 55,4% der Ladinerinnen und höchstens 43,2% der Italienischsprachigen ordnen sich (mindestens) einer dieser Kategorien zu. Es könnten auch noch sehr viel wenigere sein, die sich jeweils für zwei oder mehr der genannten Zuordnungsmöglichkeiten entschieden haben.
Nicht einmal bei Anwendung der »optimistischen« Annahme identifizieren sich die Hälfte der Südtirolerinnen italienischer Zunge mit Südtirol.
Aufsehenerregend ist jedoch insbesondere die Entwicklung bei der Zuordnung als »Südtiroler/in« im Vergleich zwischen 2004 und 2014:
Noch einmal: Im Jahr 2014 waren Mehrfachnennungen möglich, 2004 hingegen nicht. Also sind steigende Zuordnungszahlen bei einer speziellen Kategorie nicht erstaunlich. Umso überraschender ist dann jedoch, dass die Antwortmöglichkeit »Südtirolerin« bei den Deutschsprachigen — trotz der nunmehrigen Möglichkeit von Mehrfachnennungen — im Jahr 2014 abgenommen hat. Während sich also nicht einmal die Hälfte der italienischsprachigen Südtirolerinnen mit diesem Land identifiziert, nimmt selbst die territoriale Identifikation der Deutschsprachigen in zehn Jahren deutlich ab. Dies wirkt sich selbstverständlich auch auf das Gesamtergebnis aus, sodass sich nur etwas mehr als die Hälfte der insgesamt in Südtirol lebenden Menschen (55,4%) auch mit diesem Land identifizieren.
Das sind keine guten Voraussetzungen für ein gelingendes Zusammenleben. Und die Autonomie scheint — wenigstens im Moment — außerstande, hier noch etwas zum Positiven zu verändern. Im Gegenteil.
Scrì na resposta