Wie schnell es gehen kann, eine Verfassungsänderung durchzuboxen, hat der spanische PP um Ministerpräsident Mariano Rajoy gestern in Madrid eindrucksvoll bewiesen. Da der Partido Popular über die erforderliche Mehrheit verfügt, konnte er gegen den Widerstand fast aller anderer Fraktionen, einschließlich der Sozialisten (PSOE), im Eilverfahren das Grundgesetz anpassen. An einem einzigen Tag.
Freilich wurde mit der Änderung nicht etwa die Grundlage geschaffen, damit die Katalaninnen und Katalanen eine Abstimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit abhalten können. Die Möglichkeit hierzu hätte der PP mit seiner Mehrheit jedoch, weshalb die Feststellung, Madrid könne — anders als London den Schotten — die Abhaltung einer derartigen Volksabstimmung aufgrund von Verfassungszwängen selbst dann nicht gewähren, wenn es wollte, Lügen gestraft wurde. Verfassungszwänge ließen sich binnen eines Tages aus dem Weg räumen.
Der Inhalt der nunmehrigen Verfassungsänderung war vom PP bereits vor den katalanischen Parlamentswahlen vom 27. September angekündigt worden: Fortan soll das spanische Verfassungsgericht die Möglichkeit haben, selbst für den unmittelbaren Vollzug der eigenen Urteile zu sorgen.
Was er sich von der Reform erwartet, hat Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits verkündet: Eine Amtsenthebung des katalanischen Präsidenten Artur Mas direkt durch das Verfassungsgericht. Ein Versuch, die wahren Absichten zu kaschieren oder die Reform nicht als Ad-Personam-Maßnahme erscheinen zu lassen, wurde erst gar nicht unternommen.
Dabei scheint Rajoy das Ausmaß der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung nicht ganz verstanden zu haben: Wenn am vergangenen Sonntag knapp 48% der Katalaninnen und Katalanen für die Unabhägngigkeit votiert haben, wird die Amtsenthebung von Artur Mas, so er überhaupt als Präsident bestätigt wird, nicht wirklich etwas verändern. Mas ist nicht für den Selbstbestimmungswunsch verantwortlich, er hat ihn lediglich interpretiert und institutionell kanalisiert.
Maßnahmen, wie die jetzt in Madrid genehmigte, werden das Gefühl, vom Zentralstaat nicht ernstgenommen zu werden, in Katalonien nur noch vergrößern. Mit Demokratie und einem Dialog auf Augenhöhe hat all dies nichts zu tun.
Europäische Politikerinnen reisen gern mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt, und werben für die Einhaltung von Grundrechten und Demokratie. Es wäre jetzt aber höchst an der Zeit, auch auf unserem Kontinent die Augen nicht länger zu verschließen und die Judizialisierung der Politik in Spanien an den Pranger zu stellen.
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