Vorausgeschickt, dass ich von der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler nicht recht viel halte, da sie Ausdruck eines ius sanguinis ist und auch mir die Idee einer europäischen Staatsbürgerschaft langfristig viel besser gefiele, möchte ich doch noch einmal auf Florian Kronbichlers unsäglichen Optionsvergleich eingehen, weil er mich ob seiner Perfidität so dermaßen schockiert.
- Sollte die Doppelstaatsbürgerschaft tatsächlich kommen, wäre sie durch eine demokratische Mehrheit legitimiert. Der Entscheidung wäre ein demokratischer Wettstreit der Ideen vorausgegangen, in der jeder seine Meinung artikulieren kann. Einen solchen Prozess mit dem perversen Machtspiel zweier faschistischer Diktatoren zu vergleichen, ist aus Sicht eines Demokraten gelinde gesagt grotesk.
- Die Option war eine Entscheidung zwischen Teufel und Belzebub: entweder die Aufgabe der Heimat oder die erzwungene Aufgabe von Sprache und Kultur – in jedem Fall eine massive Verschlechterung der Situation. Bei der doppelten Staatsbürgerschaft erwächst jenen, die sich nicht dafür entscheiden, überhaupt kein Nachteil. Jene, die sich dafür entscheiden, erfahren eine (rein subjektive) Verbesserung.
- Die Brutalität der Option zeichnete sich außerdem dadurch aus, dass der Familienvater für die gesamte Familie entschied und dass sich jeder offen zu seiner Entscheidung bekennen musste. Denn entweder blieb man oder man zog weg bzw. bereitete sich darauf vor. Die Entscheidung für die Staatsbürgerschaft wäre eine vollkommen individuelle. Niemandem würde die Staatsbürgerschaft aufgezwungen, der diese nicht möchte. Es wäre ein rein formaler Akt, zu dem ich mich nicht öffentlich bekennen müsste, sollte ich das nicht wollen.
- Die Option hat die Südtiroler Gesellschaft physisch zerrissen. Durch die Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft müsste niemand Italien verlassen. Bereits jetzt gibt es viele Menschen in unserem Land, die österreichische und italienische Staatsbürger sind. Diese sind deswegen weder bessere noch schlechtere Bürger. Ein Vergleich mit Dableibern und Optanten wäre eine grobe Verharmlosung.
Angesichts dieser Tatsachen das Wort »Option« auch nur im Entferntesten im Zusammenhang mit der demokratisch legitimen Forderung nach Doppelstaatsbürgerschaft (wie es sie vielerorts auf der Welt gibt – Stichwort Istrien oder Dreizehnlinden) in den Mund zu nehmen, ist ein Hohn gegenüber all jenen, die durch das Hitler-Mussolini-Abkommen unsägliches Leid erfahren haben. Flor sollte diesen Vergleich zurücknehmen und sich entschuldigen. Gleichzeitig sei es ihm unbenommen, sich vehement gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft auszusprechen.
Er könnte dabei aber im Sinne eines Meinungspluralismus etwas weniger herablassend und patronisierend argumentieren. Dass die doppelte Staatsbürgerschaft objektiv (!) ein Nichtthema sei, ist eine rein subjektive Einschätzung sowie eine Geringschätzung der Meinung/Bedürfnisse anderer. Sie erinnert mich an die Gegner der Homoehe, die Menschen anderer sexueller Orientierung ein Recht verweigern, welches sie selbst in dieser Form gar nicht in Anspruch nehmen möchten. Auch würde ich mich davor hüten, vorzuschreiben, was die demokratischen Mehrheiten in Bozen und Wien von einem Thema zu halten haben. Zu guter Letzt gehört in den Schlusssatz noch das Wörtchen »auch«, denn alle in unserem Land denken nicht so wie Flor. Ein bisschen mehr Bescheidenheit stünde gut zu Gesicht. Und eine — durchaus berechtigte — Kritik am Doppelstaatsbürgerschaftsvorhaben, die sich auf einem Niveau bewegt, das jenes polternder Rechtspopulisten oder in Trinklaune politisierender Stammtischbrüder übersteigt, ebenfalls.
Cëla enghe: 01
02
03
Scrì na resposta