Während der gestrigen Tagesschau um acht (Rai Südtirol) wurde über ein Treffen zwischen österreichischen und Südtiroler Grünen berichtet, die sich einstimmig gegen den Doppelpass aussprachen (den der grüne Landtagsabgeordnete Riccardo Dello Sbarba mal als Lösung angepriesen hatte). Stattdessen befürworten die grenzüberschreitenden Grünen den »europäischen Pass«, von dem sie auch gleich ein paar Exemplare gebastelt hatten.
Das ist eine Position, die grundsätzlich auch unterstützt.
Die Gründe allerdings, die die Grünen für die Ablehnung des Doppelpasses nennen, sind sehr aufschlussreich und — inakzeptabel.
Mit der Verfassungsreform des (angeblich) autonomiefreundlichen italienischen Ministerpräsidenten Renzi stehe die Südtirolautonomie auf dem Prüfstand, die Verabschiedung der Doppelstaatsbürgerschaftsregelung könnte Italien »irritieren«. Und somit wohl der Autonomie schaden, liest man unschwer zwischen den Zeilen. Es geht in Südtirol also immer mehr nur noch darum, sich ruhig und unauffällig zu verhalten, um den grundsätzlich feindlich gesinnten Staat nicht zu stören. Mit einer derartigen — in einem demokratischen Land bedenklichen — Auffassung hätte man die heutige Autonomie wohl niemals erringen können.
Erstaunlich ist diese Haltung umso mehr, als Italien den Angehörigen »seiner« nationalen Minderheiten im Ausland seit Jahren den italienischen Pass vergibt. Hierzu muss neben der Abstammung sogar nachgewiesen werden, dass Italienisch die »gewohnte Sprache« der Antragsstellerin ist. Auch die Bundesrepublik vergibt übrigens Mitgliedern deutscher Minderheiten in Osteuropa die deutsche Staatsbürgerinnenschaft.
Die Nervosität der österreichischen Grünen in Hinblick auf italienische »Irritationen« nährt den Verdacht, dass sich Italien — wie die Doppelpassbefürworter regelmäßig behaupten — auf diplomatischem Weg dafür einsetzt, den Doppelpass zu verhindern.
Der Kammerabgeordnete Florian Kronbichler sonderte im Tagesschau-Interview einmal mehr eine Gleichsetzung zwischen Doppelpass und Option ab, ein geradezu idiotisches Argument, auf das wir (in anderem Kontext) oft genug geantwortet haben. Dann ist der Verzicht auf den Doppelpass wohl auch mit faschistischer Assimilierung vergleichbar?
Außerdem forderte Kronbichler Österreich — sinngemäß — auf, sich von der Erpressung durch Südtiroler Patriotinnen zu lösen und dem Doppelpass ein für alle mal eine Absage zu erteilen. Zur Erinnerung: Auch die Autonomiepartei SVP spricht sich (zumindest offiziell) für die Doppelpassregelung aus. Und nicht zuletzt ist Kronbichlers antinationalistische Aufforderung für jemanden, der für wohlwollende Berichterstattung von einer Waffengattung des italienischen Militärs ausgezeichnet wurde (und der diese Auszeichnung auch freudig entgegengenommen hat) geradezu… nennen wir es: putzig.
Und nun zum europäischen Pass: Die grüne Bastelarbeit in Ehren, aber es geht nicht nur um ein Stück Papier, um den »Umschlag« eines Reisedokuments. Wenn man so will, haben wir schon alle einen europäischen Pass mit europäischen Rechten, die zusätzlich zu und aufgrund der nationalen Rechte anerkannt werden. Es geht hier nicht vordergründig um den Pass, sondern um die damit verbundene Staatsbürgerschaft! Der europäische Pass ist aber wertlos, wenn ihm nicht eine ungeteilte europäische Staatsbürgerschaft zugrundeliegt. Ein neuer Pass mit einheitlichem Erscheinungsbild, in dem wieder fein säuberlich die nationale Staatsbürgerschaft vermerkt wird (und an die weiterhin unterschiedliche Rechte und Pflichten gekoppelt sind), ist wertlos. Die Grünen sind also daran zu messen, wie ernsthaft sie im italienischen, im österreichischen, im europäischen und den übrigen »nationalen« Parlamenten für die Abschaffung der nationalen Staatsbürgerschaften kämpfen.
Ein einmaliges Lippenbekenntnis zum Unionspass zur Verhinderung des Doppelpasses können wir sonst unter demselben Kapitel verbuchen, wie die unzähligen Sonntagsreden über die Europaregion zur Verhinderung der Selbstbestimmung.
Ähnlichen Unfug haben die österreichischen Grünen erst kürzlich im Nationalrat unterstützt.
Cëla enghe: 01
Nachtrag vom 26.09.2016:
Erhard Busek, ex vicecancelliere austriaco, avanza sulla ff la proposta di una “cittadinanza europea”: cioè non una doppia statualità, ma una cittadinanza continentale da dare a zone simili al Sudtirolo. Una specie di “territorio europeo”. Idea interessante, che recepirebbe il buone [sic] della mia idea togliendo il cattivo (il protagonismo degli stati nazionali), ma purtroppo in questo momento fumosa ed irrealistica: una cittadinanza europea non esiste attualmente e non vorrebbe dire nulla. Potrà esistere solo quando l’Europa avrà più solide fondamenta politiche e democratiche. Oggi un “passaporto europeo” non darebbe alcun diritto in più a chi lo ha, ma molti diritti in meno.
Riccardo Dello Sbarba am 20. Jänner 2010 in seinem Blog.
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