Die Vorbereitungen für den 27. September laufen in Katalonien auf Hochtouren. Für dieses Datum hat Präsident Artur Mas vorgezogene Neuwahlen angesetzt, die als Plebiszit für oder wider die Unabhängigkeit dienen sollen. Schon seit Wochen machen die wichtigsten zivilgesellschaftlichen Akteure, die die Loslösung der Region von Spanien unterstützen (vor allem Òmnium Cultural und ANC) für eine Einheitsliste stark, auf der alle kandidieren, die die Unabhängigkeit befürworten. Obschon eine Einheitsliste von dem in Katalonien geltenden Wahlgesetz eher benachteiligt würde, soll der gemeinsame Auftritt für mehr Sichtbarkeit und größere Attraktivität sorgen.
CiU aufgelöst
Die langjährige Parteienkoalition CiU aus Convergència Democratica de Catalunya (CDC) und Unió Democratica de Catalunya (UDC), der auch Präsident Artur Mas (CDC) angehörte, wurde kürzlich beendet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die deutlich kleinere, christdemokratische UDC den expliziten Unabhängigkeitskurs von Artur Mas nicht mehr mittragen wollte. Sämtliche UDC-Mitglieder verließen die katalanische Regierung und wurden von Mitgliedern der liberalen CDC ersetzt. Allerdings waren zahlreiche Mitglieder von UDC (die bei einer UDC-internen Abstimmung fast 50% erreichten) mit dem Bremsmanöver ihrer Partei nicht einverstanden, traten aus und nähern sich nun unter der Bezeichnung Demòcrates abermals CDC an. Die UDC trägt auch weiterhin den Wunsch nach Selbstbestimmung (Prozess) mit, lässt aber das Ziel (Unabhängigkeit bzw. Autonomieausbau) offen.
CDC und ERC
Während sich die UCD von CDC trennte, näherten sich CDC und Linksrepublikanerinnen (ERC) weiter an. ERC unterstützt die katalanische Regierung von Artur Mas seit den Neuwahlen von November 2012 von außen. CDC, ERC und die radikal linke CUP verhandelten während der letzten Wochen gemeinsam über das weitere Vorgehen in Hinblick auf den 27. September. Während die CUP eine Einheitsliste ablehnt und in jedem Fall alleine kandidieren möchte, konnten sich CDC und ERC auf einen gemeinsamen Antritt einigen. Ausschlaggebend dürfte wohl unter anderem der starke Druck von Òmnium Cultural und ANC gewesen sein, denn während Artur Mas schon seit langem eine Einheitsliste vorgeschlagen hatte, war ERC stets skeptisch geblieben.
Die Positionen
Die linksrepublikanische ERC und die liberale CDC sind laut fast allen repräsentativen Umfragen die beiden stärksten Parteien des Landes. Sie stehen für ein »Ja« zur Unabhängigkeit von Spanien und tragen den laufenden Prozess in vollem Umfang mit. Die deutlich kleinere CUP spricht sich ebenfalls für das »Ja« aus, möchte aber wie erwähnt ein eigenes Profil beibehalten und gesondert zur Wahl antreten. Noch auf keine endgültige Linie konnten sich die Grünen (ICV) einigen: Zwar gibt es wohl keine Partei, die sich stärker für die Selbstbestimmung (Prozess) einsetzt, allerdings pocht die Öko-Partei bislang auf die Abhaltung einer Volksabstimmung anstelle der plebiszitären Wahl. Dies wird jedoch von Madrid strikt abgelehnt. Ob sich innerhalb von ICV die »Realos« durchsetzen können, die schon jetzt dafür werben, dass die Partei sich am 27. September ebenfalls für die Unabhängigkeit ausspricht, wird sich weisen. Ebenso darf man gespannt sein, welche Rolle letztendlich UDC und die Dissidenten von Demòcrates einnehmen werden. Podem (und ähnliche Initiativen, die während der letzten Wochen und Monate im Vorfeld der Gemeindewahlen entstanden waren) müssen sich ebenfalls erst in Position bringen, so sie im September überhaupt antreten werden.
Die Liste
Gestern wurde offiziell bekanntgegeben, dass sowohl CDC als auch ERC die von der Zivilgesellschaft ausgegangene Einheitsliste unterstützen und dafür auch bereit sind, etwas in den Hintergrund zu treten. Platz zwei auf der Liste soll mit Carme Forcadell der ehemaligen Vorsitzenden der ANC gehören, Platz drei der Präsidentin von Òmnium Cultural, Muriel Casals. Erst auf Platz vier und fünf würden — in dieser Reihenfolge — der derzeitige katalanische Präsident Artur Mas (CDC) und der ERC-Vorsitzende Oriol Junqueras kandidieren.
Die echte Überraschung stellt aber Listenführer Raül Romeva dar — er ist ehemaliger Europaabgeordneter der katalanischen Grünen (ICV) und hatte nach Beendigung seines Mandats die Parteimitgliedschaft zurückgelegt, weil sich die Grünen seiner Auffassung nach zu wenig für die Unabhängigkeit engagiert hatten. Romeva genießt im Land (parteiübergreifend) sehr viel Respekt und Ansehen, nach wie vor auch innerhalb von ICV.
Erste Umfragen
Schon vor deren konkretem Zustandekommen wurden einer Einheitsliste in Umfragen exzellente Erfolgschancen prognostiziert. Aufgrund des starken Drucks von ANC und Òmnium Cultural, einen gemeinsamen Auftritt zu organisieren, hatten Meinungsforscher im Auftrag katalanischer Medien bereits nach den Aussichten für ein derartiges Projekt geforscht — und das Ergebnis war, dass eine solche Liste möglicherweise aus dem Stand über 50% der Wählerstimmen auf sich vereinen könnte. Nicht unwahrscheinlich, dass auch diese Aussicht ERC dazu veranlasste, sich schlussendlich auf das Experiment einzulassen.
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