Die nationale Logik greift in hunderten Bereichen des alltäglichen Lebens, sie steckt Bewohnerinnen eines Nationalstaats allein aufgrund der geographischen Herkunft in eine sprachlich-kulturelle Zwangsjacke — ein Phänomen, das auch die digitale Welt voll erfasst hat, obschon man meinen möchte, dass Computersysteme individuelle Lösungen erleichtern sollten. Eine der unzähligen Situationen, in denen die nationale Logik greift, möchte ich mal wieder exemplarisch aufzeigen.
Man ist als Deutschsprachiger in Österreich (also in einem mehrheitlich deutschsprachigen Land) unterwegs und möchte am Tankautomaten Treibstoff zapfen.
Im Wartemodus fordert der Tankautomat (Abb. 1) auf Deutsch dazu auf, eine Karte einzustecken. Am oberen rechten Eck gibt es — wie meistens in Österreich, aber nicht im mehrsprachigen Südtirol — eine Sprachwahl. Führt man eine Südtiroler Bankomatkarte ein, wechselt der Automat automatisch die Sprache (Abb. 2). Das ist wohl als Service gemeint, doch ab diesem Punkt greift die sogenannte nationale Logik. Die Karte wurde in Italien (unter der nationalen Ebene wird geographisch offenbar nicht unterschieden) ausgegeben, also stellt das System auf Italienisch um. Für viele SüdtirolerInnen ist die Sprachwahl damit wohl »gegessen«, denn für einen einfachen Vorgang wie die Betankung des eigenen Fahrzeugs ist das Aufrufen des Sprachmenüs wohl zu aufwändig.
Falls elektronisch erhoben wird, ob die vorgeschlagene Sprache akzeptiert wird oder ob die Kunden manuell eine andere Sprache aussuchen, wird man so wohl zum Ergebnis gelangen, dass fast alle (darunter sicher auch viele, die von sich aus nicht die italienische Sprache aufgerufen hätten) die vorgeschlagene Sprache beibehalten. Eine Bestätigung für das der nationalen Logik folgende System.
Machen wir aber die Probe aufs Exempel: Wir akzeptieren die aufgrund der Südtiroler Bankomatkarte vorgeschlagene Sprache nicht und kehren manuell zur deutschen Sprache zurück (Abb. 3). Wie gesagt: Eine (noch dazu so umfangreiche) Sprachwahl gibt es in Südtirol in der Regel nicht, hier gilt eher »siamo in Italia, si parla italiano« — die alte Form der nationalen Logik. Die Aufforderung, die Geheimzahl einzutippen, wird nun auf Deutsch angezeigt (Abb.4).
Trotzdem wechselt der Automat bei der Überprüfung der Karte (Abb. 5) kurzfristig in die italienische Sprache zurück, bevor die Tankanweisung auf Deutsch erfolgt (Abb. 6). Nicht einmal die ausdrückliche, manuelle Sprachwahl gestattet es einer deutschsprachigen Südtirolerin (mit einer in Südtirol, ergo auf italienischem Staatsgebiet) ausgestellten Bankomatkarte, in Österreich vom Automaten auf Deutsch »bedient« zu werden.
Es geht hier natürlich nicht darum, nicht mit der italienischen Sprache in Kontakt zu kommen. Im Regelfall dürfte für die allergrößte Mehrheit der Südtirolerinnen ein Tankvorgang auf Italienisch absolut kein Problem darstellen (man ist es im Übrigen aus der Heimat nicht anders gewöhnt). Bedenklich ist jedoch, mit welcher Persistenz man als Bewohnerin eines Nationalstaats in die von der nationalstaatlichen Logik vorgegebene Rolle gezwängt wird, egal, ob man sich im In- oder im Ausland befindet.
Noch mehr als für gebürtige SüdtirolerInnen ist es für sogenannte »neue Südtirolerinnen« eine klare Message für die Prioritäten in ihren Integrationsanstrengungen, wenn sie als BewohnerInnen dieses mehrsprachigen Landes in eine so wirkungsmächtige Schablone gezwängt werden, die sich bis in die unbedeutendsten Bereiche des Alltags bemerkbar macht. Auf Dauer sind das keine guten Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung von Mehrsprachigkeit und Vielfalt.
Was hier anhand eines Tankautomaten beschrieben wurde, passiert zum Beispiel auch an Geldautomaten (ATM), wo mir bereits widerfahren ist, dass im Ausland — selbst im deutschsprachigen — gar keine andere Sprache verfügbar war, als die lingua franca nazionale.
Cëla enghe: 01
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