Vor einer Woche hatten wir berichtet, dass sich der außenpolitische Ausschuss der Republik Österreich zum Selbstbestimmungsrecht bekannt hatte. Aus der Begründung des Entschließungsantrags geht nun jedoch hervor, dass damit die Selbstbestimmung eigentlich ad absurdum geführt werden soll. Die TAZ zitiert heute daraus:
Selbstbestimmung kann auf verschiedene Weise verwirklicht werden. Für Österreich besteht kein Zweifel, dass die Südtirol-Autonomie völkerrechtlich auch auf dem Selbstbestimmungsrecht beruht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie ausgeübt wird. Die Südtirol-Autonomie mit hohem Maß an Selbstverwaltung ist eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung.
Im selben Atemzug, in dem sich ÖVP, SPÖ und NEOS allgemein dazu bekennen, entziehen sie den Südtirolerinnen ihr Recht also schon wieder — mit der unhaltbaren Begründung, die Selbstbestimmung sei mit der Autonomie bereits umgesetzt.
Einmal mehr entscheiden also andere und nicht wir selbst, was die Südtiroler Bevölkerung will. So wird unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung das genaue Gegenteil vorangetrieben. Dreister und undemokratischer geht es kaum.
Seit rund 100 Jahren gehört Südtirol nun zu Italien und in all dieser Zeit durften sich die Südtirolerinnen kein einziges Mal über den politisch-institutionellen Status, über die staatliche Zugehörigkeit bzw. die Unabhängigkeit äußern. Nicht nach dem ersten und nicht nach dem zweiten Weltkrieg, weder zur Annahme des Pariser Vertrags nocht des Pakets. Immer wieder taten das, mehr oder weniger wohlwollend, andere für sie.
Auch die — gar nicht »freie«, da von vielen Zwängen beeinflusste — Zustimmung der SVP zum Paket kann nicht als Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung gewertet werden. Denn in solch maßgeblichen Fragen kann sich eine einzelne Partei, wie groß ihre parlamentarische Macht auch sein mag, nicht als alleinige Inhaberin des Bevölkerungswillens gerieren. Genauso wie die SNP in Schottland nicht einfach die Unabhängigkeit erklären konnte, obschon sie im dortigen Parlament die Mehrheit hatte.
Übrigens erlischt das demokratische Recht auf Selbstbestimmung auch nicht. Selbst wenn es also bereits einmal ausgeübt worden wäre, was nicht der Fall ist, stünde dies einer weiteren Äußerung des Souveräns nicht im Wege.
Fazit: Die österreichische Regierung und das österreichische Parlament dürfen gerne eine Meinung darüber haben, ob sich Südtirol von Italien loslösen soll und ob es in seinem Bestreben von Österreich unterstützt werden würde. Aber was die Südtirolerinnen entscheiden würden, wenn sie denn endlich einmal selbst entscheiden dürften, und ob das die heutige Autonomie im Rahmen des Nationalstaats wäre, darüber lässt sich höchstens mutmaßen — alles andere ist Bevormundung.
Cëla enghe: 01
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