von Sabina Frei
Knapp zwei Monate nach den Gemeinderatswahlen hat Bozen nun (zumindest vorläufig) eine Stadtregierung und der Bürgermeister die jeweiligen Ressorts den zwei Stadträtinnen und vier Stadträten zugewiesen. Die, so der Bürgermeister, wichtigsten Kompetenzbereiche habe er dagegen nicht vergeben. Es geht um die Urbanistik, das Kulturressort und das Ressort für Soziales. Für diese drei Aufgaben sei bis auf weiteres er selbst zuständig. Wohl auch deshalb, weil sie politisch besonders umkämpft sind. Möchte man zumindest meinen.
Besonders aufgefallen ist mir allerdings Spagnollis Begründung, weshalb das sowohl von der SVP als auch vom PD beanspruchte Sozialressort vom Bürgermeister selbst betreut werden soll: Bozen sei eine mehrheitlich italienischsprachige Stadt und daher stehe dieses Ressort einem Italiener zu, was er ja sei.
Nun überrascht es kaum, dass Luigi Spagnolli die Urbanistik zur Chefsache macht, hängt Bozens Stadtregierung doch vor allem aufgrund der fast alles überschattenden Affaire Benko an einem seidenen Faden. Und eine ethnische Argumentation, wenn es um das Kulturressort geht, hätte auch nicht weiter verwundert, zumal in einem Land, in dem es – trotz verstärkter und lobenswerter (!) Zusammenschau – nach wie vor drei nach Sprachgruppen getrennte Kulturabteilungen gibt.
Südtirol ist Proporzistan und hier setzen sich Regierungen nicht nur nach Mehrheitsverhältnissen in der Koalition, sondern auch nach Sprachgruppenproporz zusammen, das wissen wir. Aber Spagnolli hat nicht mit dem Proporz argumentiert. Jedenfalls nicht im üblichen Sinne. Er hat für das Soziale – und nur für das Soziale – einen Zusammenhang zwischen der Sprache des Amtsinhabers und jener der Mehrheit der Bevölkerung in seiner Stadt hergestellt. Die ethnische Begründung bei der Besetzung eines Stadtrats- oder Landesrätinnenpostens kennen wir sonst nur in den Bereichen Schule und Kultur, bei allen anderen Verwaltungsbereichen wird – zumindest offiziell – nicht ethnisch argumentiert.
Mit dieser Aussage bringt Spagnolli eine Dimension ins Spiel, die für das Soziale fatal ist. Fataler noch als für andere Bereiche, wie ich finde. In einer Zeit, in der Ressourcenzuweisungen für den Sozialbereich zunehmend unter dem Generalverdacht der Verschwendung oder der unrechtmäßigen Inanspruchnahme stehen, in der mit der unsäglichen Begründung “zuerscht insere Leit” und “prima gli italiani” ein Krieg unter Armen angezettelt wird und von rechten und rechtsextremen Parteien und Bewegungen unverhohlen einer Hierarchisierung der Bedürftigkeit nach (im erweiterten Sinne) rassistischen Kriterien das Wort geredet wird, muss gerade das Soziale – das per definitionem alle betrifft – inklusivistisch gedacht, praktiziert und auch kommuniziert werden. Und zwar unabhängig davon, ob die Muttersprache der zuständigen Stadträtin mit jener der Mehrheit der Bevölkerung übereinstimmt oder nicht.
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