Die Gemeinde Bruneck hat im ersten Jahr der Immobiliensteuer GIS die Vordrucke mit den ermittelten Steuerbeträgen und den Details zu den berücksichtigten Immobilien nur in deutscher Sprache vorbereitet und an die Bürgerinnen und Bürger verschickt. Auf Vorschlag der Partei XY wird es die Vordrucke ab dem kommenden Jahr auch in italienischer Sprache geben, damit die Rechte der Mitbürgerinnen und Mitbürger italienischer Muttersprache gewahrt sind.
Die Meldung ist fiktiv, doch genau dies oder noch Schlimmeres (wenn man die Komplexität der Materie berücksichtigt) ist einmal mehr vom italienischen Staat ausgegangen, der den Steuerzahlerinnen seit diesem Jahr die bereits ausgefüllte 730er-Steuererklärung zur Verfügung stellt. Die Betroffenen können den Inhalt online überprüfen und entweder gutheißen — oder aber ablehnen und in der Folge eine abweichende, mit den nötigen »Beweisunterlagen« unterlegte Steuererklärung abgeben. »Leider« ist auch diese Neuerung wie so oft zuerst nur in italienischer Sprache verfügbar, Bürgerinnen deutscher Muttersprache werden zum wiederholten Mal ihrer vom Autonomiestatut zugesicherten Rechte beraubt. Erst auf Antrag der Rechtsanwältin und SVP-Parlamentarierin Renate Gebhard wurde nun von Rom versprochen, dass die Zweisprachigkeitspflicht ab dem kommenden Jahr (2016) umgesetzt wird… freilich nur in diesem Bereich und auch nur, wenn es bis dahin nicht »vergessen« wird.
Das frei erfundene Beispiel mit der Gemeinde Bruneck ist so gut wie unvorstellbar — nicht (nur), weil die lingua franca nazionale niemals fehlen darf, sondern vor allem, weil unser Land über einen »mehrsprachigen Quellcode« verfügt. Eine Gesetzeswidrigkeit und Respektlosigkeit dieses Ausmaßes könnte einer öffentlichen Verwaltung kaum unterlaufen. Der italienische Staat verfügt hingegen über einen »einsprachigen Quellcode«, mehrsprachige Gebiete sind eine (fast) vernachlässigbare Größe. Deshalb und aufgrund des sorglosen Umgangs des Staates mit seinen eigenen gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen gehört es und wird es stets zur Tagesordnung gehören, dass andere Sprachen als die lingua franca »vergessen« werden und jedes Mal von neuem Diskriminierungen in Kauf nehmen müssen.
Viel unproduktiver als Südtirol mit der ständigen Einforderung verbriefter Rechte hat auch Sysyphos seine Energie nicht investiert.
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