Es war ein Freudentag in Südtirol, als die Dolomiten im Jahr 2009 zum UNESCO Weltnaturerbe ernannt wurden. Gleichzeitig war und ist diese Ernennung ein leuchtendes Beispiel dafür, wie tief verwurzelt die in jüngster Zeit auf so oft strapazierte nationale Logik ist – selbst in einer UN-Sonderorganisation, die über solch Profanitäten wie Nationalität erhaben sein sollte, da das Verbindende ja zu den Wesensmerkmalen der UNESCO zählt.
Die Nationenzentriertheit des Welterbes zeigt sich zunächst schon einmal daran, dass nur Einzelstaaten Vorschläge für die Aufnahme in die Liste machen können. Da sich aber gerade Naturdenkmäler wie Gebirge oder Flüsse selten an Landesgrenzen halten, ist diese Regelung zumindest fragwürdig. Im Zuge der Ernennung der Dolomiten zum Welterbe wurden dann entsprechend Stimmen laut, die die Lienzer Dolomiten ebenfalls als Teil dieser Auszeichnung sehen wollten. In diesem Zusammenhang muss man allerdings erwähnen, dass die Osttiroler Kalkberge trotz ihrer morphologischen Ähnlichkeit von Geologen vielfach nicht zur Gebirgskette der Dolomiten gezählt werden. Dennoch bleibt die Grundsatzfrage, warum sich ein Welterbe an Staatsgrenzen halten muss. So kommt es dann auch zu teils amüsanten bis bizarren Situationen. Beispielsweise wurden die Wasserfälle von Iguazú auf argentinischer Seite 1984 in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen, jener Teil der Fälle, der in Brasilien liegt, jedoch erst zwei Jahre später 1986. Somit gibt es nun zwei Welterbe Iguazú, aber freilich nur ein zusammenhängendes System von Wasserfällen.
Beim Welterbe Dolomiten manifestiert sich die nationale Logik gleich mehrfach. Wir erinnern uns, dass Landeshauptmann Luis Durnwalder beim Festakt zur Verleihung des Welterbetitels in Auronzo di Cadore ausgepfiffen wurde, weil er die Menschen auch auf Deutsch und Ladinisch begrüßte.
Und speziell in der medialen Präsentation des Naturdenkmals ist von kultureller Vielfalt und Authentizität, wie sie die UNESCO eigentlich propagiert, wenig zu spüren. Die Webseite der Stiftung »Dolomiti-Dolomiten-Dolomites-Dolomitis UNESCO« ist zwar sauber dreisprachig (Italienisch, Deutsch, Englisch), die Domain gibt’s aber nur auf Italienisch: www.dolomitiunesco.info. Ladinisch — die Hauptsprache zumindest der Südtiroler Dolomitentäler — und Friaulisch glänzen durch Abwesenheit. Im Web 2.0 ist dann abgesehen von ein paar englischsprachigen Tweets »weltmännische« Einsprachigkeit angesagt. Die Wahl fiel dabei auf — welch Überraschung — Italienisch. Zwar wird man auf der Webseite auf Deutsch eingeladen, dem Twitteraccount der Stiftung zu folgen, dort angekommen, folgt die Kommunikation jedoch der nationalen Logik. Kein einziger Tweet auf Deutsch oder Ladinisch. Bei YouTube und Instagram das gleiche Bild. Auch publiziertes Kartenmaterial spiegelt nicht unbedingt die multikulturelle Realität der Dolomitenlandschaft wider.
Dass der national-zentrierte Sprachgebrauch auch auf die UNESCO selbst abfärbt, beweist ein Besuch der (englischsprachigen) Webseite der Organisation. In der Auflistung der neun Welterbestätten in den Dolomiten ist ausschließlich von Bolzano und Trentino-Alto Adige die Rede. Und selbst die Bletterbachschlucht, die meines Wissens auch die meisten Italienischsprachigen im Lande (siehe Wikipedia) als solche bezeichnen, scheint als Rio delle Foglie auf.
Für eine Organisation, die seit dem Jahr 2000 jährlich am 21. Februar den »Internationalen Tag der Muttersprache« als Gedenktag zur »Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit« begeht, mutet diese Praxis geradezu grotesk an.
Detail am Rande: Südtirol hat noch bis zum Jahr 2016 den Vorsitz der Stiftung »Dolomiti-Dolomiten-Dolomites-Dolomitis UNESCO« inne. Und zahlen tut Südtirol freilich auch.
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