Immer wenn ein Fall von Nichtberücksichtigung oder Ungleichbehandlung der deutschen Sprache in Südtirol aufgezeigt wird, gehen – nicht zuletzt hier auf – die Wogen hoch. Es wird gemutmaßt: “Das ist bestimmt Absicht!”, “Typische Respektlosigkeit. Die haben keine Ahnung von unserer Situation hier!”, “Vorauseilender Gehorsam!”, “Schlamperei oder Personalmangel?” usw. Und irgendwann taucht dann meist die Erklärung “nationalstaatliche Logik” auf. Diese “nationalstaatliche Logik” hat wenig mit Schlamperei, Respektlosigkeit oder gar Bösartigkeit zu tun. Die so betitelte Logik ist einfach ein unterschwelliger Druck, der durch das omnipräsente und somit nahezu inhärente nationalstaatliche Denken an sich aufgebaut wird. In diesem Denken greifen Abweichungen von der Norm einfach nicht. Drei Beispiele, die sich unlängst innerhalb weniger Wochen zugetragen haben, sollen die Kraft dieser Logik und somit die Gefahr für den Pluralismus in Südtirol untermauern. Besonders, da es sich bei den Beispielen um “Außenwahrnehmungen” handelt.
Unlängst waren an meiner Schule einige Klassen unserer Partnerschule, eines renommierten Nordtiroler Gymnasiums, auf Besuch. Und obwohl nahezu alle Aushänge (Veranstaltungsplakate, Schülerarbeiten, administrative Hinweise usw.) und Beschriftungen (Raumbezeichnungen, Wegweiser usw.) im Haus ausschließlich auf Deutsch verfasst sind und die Führung durch das Schulgebäude freilich auch auf Deutsch erfolgte, kam plötzlich die Frage: “Lernt ihr hier auch Deutsch?” Es war für die Nordtiroler Gymnasiasten also kaum vorstellbar, dass in Südtirol an einer Schule die Unterrichtssprache Deutsch ist. Schließlich sei man ja nach Italien gefahren.
Wenige Wochen später erreichte uns eine Anfrage aus Innsbruck. Eine junge Studentin wollte wissen, ob wir noch Unterlagen über ihren Urgroßvater hätten, der zur Jahrhundertwende unsere Schule besucht hatte. Das Schreiben begann mit “Egregi Signori” und endete mit “Ti prego di scusare la mia difettosa italiano.” Im Anschluss an den italienischen Text folgte dann doch eine deutsche Version der Anfrage. Auf die Rückfrage, warum sie das Schreiben auf Italienisch verfasst hätte, meinte die Innsbruckerin, sie habe nicht gewusst, welche Sprache wir bevorzugen würden.
Einige Tage danach fiel mir ein Facebook-Posting unseres Englischassistenten auf, der an einer britischen Uni Deutsch und Italienisch studiert und derzeit auf Auslandsjahr in Südtirol weilt.
Just got an email from my Uni asking me what I’ll be doing for my German placement once I’ve finished in Italy, German-speaking Italy is still a tricky concept to explain to people!
Die britische Uni weiß, dass ihr Student in Brixen stationiert ist. Dennoch ist es der dortigen Sprachfakultät nicht klar, dass ein Deutsch- und Italienischstudent hier in Südtirol beiden Sprachen in muttersprachlicher Ausprägung begegnet. Ironisch nahezu, dass unser Englischassistent in Brixen mehr mit Deutsch als mit Italienisch konfrontiert ist. What will he be doing for his Italian placement once he’s finished in Italy?
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