Schon im September letzten Jahres war in der ff ein Leitartikel von Georg Mair erschienen, in dem er bezüglich der Malser Volksabstimmung wohltuende Argumente vorbrachte. So kritisierte er unter anderem, dass sich die Gegnerinnen eines Pestizidverbots hinter juristischen Spitzfindigkeiten verschanzten und forderte mehr Respekt für das Volk. Wir hatten dies honoriert, jedoch auch darauf hingewiesen, dass bei anderen Themen — allen voran die Selbstbestimmung — selten derart redlich diskutiert wird.
In der aktuellen ff-Ausgabe widmet sich Mair anlässlich der fehlenden Umsetzung des Volkswillens erneut der Abstimmung in Mals — und wieder kommen im Leitartikel jede Menge Argumente vor, die wir sonst oft vermisst haben:
Die Volksabstimmung von Mals und ihre Folgen erzählen viel über Südtirol, über Mut und Wut, über Angst und Aufbruch, über Veränderung und starres Festhalten an der Tradition, über Gemeinsinn und Eigennutz, über römisch-zentralistische Einstellungen in Bozen und Selbstbestimmung in der Gemeinde, über den Wert von Gesundheit und den Wert des Geldes.
Warum kritisiert die ff römisch-zentralistische Einstellungen, wenn sie von Bozen gegen die Selbstbestimmung einer Gemeinde vorgebracht werden, tut dies aber nie, wenn römisch-zentralistische Einstellungen aus Rom gegen die Selbstbestimmung unseres Landes wirken? Im Gegenteil: Die Selbstbestimmung Südtirols wird vom Wochenblatt recht häufig als grundsätzlich gefährlich und hinterwäldlerisch dargestellt (siehe 01
02
).
Mair schlussfolgert in seinem Leitartikel:
Was die rechtliche Seite der Volksabstimmung angeht, gibt es bestimmt Unklarheiten. Aber wenn man nicht spitzfindig argumentiert, könnte man sagen, dass das Recht auf Gesundheit und eine gesunde Umwelt ein anderes Gewicht hat, auch juridisch, als das Recht des Bauern, Spritzmittel auszubringen. Man könnte ebenso daran erinnern, dass die Genehmigungspraxis der Europäischen Union für Pestizide fragwürdig ist, dass sie zum Beispiel überhaupt nicht in Rechnung stellt, wie verschiedene Mittel in Kombination wirken. Man könnte einwenden, dass bestimmte Mittel in anderen Ländern schon verboten sind und dass man immer wieder Spritzmittel aus dem Verkehr zieht, die bei der Einführung als modern galten. Doch darüber wollen weder Landespolitik noch Bauernbund ernsthaft diskutieren, man beruft sich lieber auf den Buchstaben des Gesetzes.
[…] Die Menschen haben ein Recht darauf, ernst genommen zu werden.
Man könnte ohne große argumentative Verrenkungen auch schreiben:
Was die rechtliche Seite der Unabhängigkeit angeht, gibt es bestimmt Unklarheiten. Aber wenn man nicht spitzfindig argumentiert, könnte man sagen, dass das Recht auf Selbstbestimmung ein anderes Gewicht hat, auch juridisch, als das Recht des Staates, ein Gebiet zu besitzen. Man könnte ebenso daran erinnern, dass die Annexion fragwürdig war, dass sie zum Beispiel überhaupt nicht in Rechnung stellte, was die Bevölkerung wünschte. Man könnte einwenden, dass die Selbstbestimmung in anderen Ländern schon gewährt wurde und dass immer wieder neue Staaten entstehen, deren Gründung vorher als unrealistisch galt. Doch darüber wollen weder Staats- noch Landespolitik ernsthaft diskutieren, man beruft sich lieber auf den Buchstaben des Gesetzes. […] Die Menschen haben ein Recht darauf, ernst genommen zu werden.
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