Ausgehend von der zweifelhaften These, dass die Südtirolerinnen in Schule und Gesellschaft die Zweitsprache zu schlecht erlernen, schreibt Künstler und Jugendarbeiter Armin Mutschlechner in der dieswöchigen ff einen interessanten Gastbeitrag über das Zusammenleben, den Kontakt von Menschen unterschiedlicher Muttersprache und die Sprachvermittlung in unserem Lande. »Zweifelhaft« ist die These zumindest insofern, als auch in diesem Fall eine Verschlechterung im Vergleich zu früheren Zeiten nahegelegt wird, die sich aufgrund der unzureichenden Datenlage leider weder be- noch widerlegen lässt.
Grundsätzlich aber sollte meines Erachtens jeder Beitrag, der eine ernsthafte Verbesserung der Sprachvermittlung bezweckt, ebenso ernsthaft diskutiert werden.
Warum mir Mutschlechners Beitrag jedoch ganz besonders erwähnenswert erscheint, ist der letzte Absatz, den ich hier wiedergeben möchte:
[Der] Zukunft unserer Kinder ist das heutige System nicht zuträglich. Denn unser Land baut institutionalisiert auf Trennung auf — kulturpolitisch ist die Autonomie ein Erfolg. Unseren Kindern tun wir damit aber keinen Gefallen.
Damit zeigt Mutschlechner in fast unnachahmlicher Klarheit den Widerspruch auf, der sich nach meinem Dafürhalten zwangsläufig aus der Autonomie und aus der Situation als Minderheiten in einem (zu allem Überfluss auch noch sehr zentralistisch organisierten) Nationalstaat ergibt: Der Spagat zwischen erfolgreicher »Kulturpolitik«, die den Erhalt der Vielfalt zum Ziel hat und einer ebenso erfolgreichen Sprachvermittlung im Sinne einer breiteren Mehrsprachigkeit ist unter diesen Voraussetzungen so gut wie gar nicht zu schaffen. Entweder man tut »unseren Kindern« kurzfristig Gutes, indem man die kulturpolitische Ebene vernachlässigt und mittelfristig aufs Spiel setzt — oder aber man ist kulturpolitisch erfolgreich und vernachlässigt zumindest teilweise den sprachlichen Erfolg. Dass Eltern und manchmal auch Lehrern ersteres lieber wäre, ist nur zu verständlich. Genauso müssen aber Politiker und die Gesellschaft als Ganzes die Gesamtsituation berücksichtigen, damit auf eine oder zwei Generationen perfekt mehrsprachiger Schülerinnen nicht der kulturpolitische Absturz folgt.
Das Schulsystem, über das wir derzeit verfügen, ist einer der wenigen Wege, wie man diesen Spagat einigermaßen gut schafft, solange sich die bereits erwähnten Rahmenbedingungen (Autonomie und Minderheit in einem Nationalstaat) nicht ändern. Auflösen lassen sich dieser Widerspruch und diese Spannung jedoch nur, wenn wir entweder aus dem Nationalstaat austreten oder endgültig in ihm aufgehen. Dass und warum ich und erstere Lösung befürworten, dürfte hinreichend bekannt sein.
Wenn aber jemand einen anderen gangbaren Weg zu kennen glaubt, wäre es im Sinne einer ergebnisoffenen Diskussion schön, wenn er ihn erläutern könnte. Bislang habe ich jedoch noch nie von einem solchen Vorschlag gehört oder gelesen.
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